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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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über den Rücken, und unwillkürlich zog sie die Decke fester um die Schultern. So lange hatte sie sich danach gesehnt, bis sie endlich eingesehen hatte, dass sie dieser Gabe nicht bedurfte, sondern dass es ihr nur um Stephan gegangen war. Und nun, da sie sich seiner endlich sicher war, entdeckte sie diese Fähigkeit in sich! Heilige Muttergottes, dachte sie bei sich. Warum jetzt? Und warum ich? Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf, doch sie konnte keinen einzigen fassen. Nur die Frage nach dem Warum blieb. War es ihre Bestimmung?
    Stephan musterte sie besorgt. »Was ist mit dir, Antonia?«
    »Ich weiß nicht recht. Ich … ich glaube, ich sehe deine Seelenflamme. Sie ist stark und leuchtend, aber als ich deine Vergangenheit erwähnte, war sie nur noch ein schwaches Glimmen.«
    »Du kannst die Seelenflamme erkennen? Aber … ich dachte, nur deine Mutter beherrsche diese Kunst.«
    Antonia nickte, zwang sich zur Ruhe, bevor sie ihm antwortete. Sie wollte ihm nicht noch mehr Sorgen bereiten.
    »Ich weiß nicht, warum ich sie plötzlich sehe. Ich habe sie noch nie bei einem Menschen bemerkt.« Sie schluckte. »Meine Mutter fand zu dieser Gabe, als sie dem Tod entging. Auch ich wäre heute fast gestorben, wenn du mich nicht gerettet hättest.«
    Er ging neben ihr in die Knie, während sie noch immer im Gras saß, nahm sie in die Arme und gab ihr etwas von der Wärme zurück, die sie schon im Wasser gespürt hatte, als er sie umfangen gehalten hatte.
    »Ich habe dir versprochen, dich zu beschützen, was auch geschieht«, flüsterte er. »Und dieses Versprechen halte ich.«
    »Immer?«
    »Solange ich lebe.«
    »Stephan …«, setzte sie an, doch er ließ sie nicht aussprechen, sondern küsste sie wieder.
    Diesmal dauerte es länger, bis er sie losließ. Das Schnauben der Pferde hatte ihn aufgeschreckt, doch niemand war zu sehen.
    »Es ist vermutlich besser, wenn wir nach Birkenfeld zurückkehren«, sagte er schließlich.
    »Aber wir müssen doch nach Halberstadt!«
    »Ich glaube nicht, dass du in diesem Zustand nach Halberstadt reiten solltest.« Seine Finger glitten vorsichtig über den zerrissenen Ärmel ihres Obergewands, berührten die blutige Schramme, die ein spitzer Stein auf ihrer Haut hinterlassen hatte. »Zum Glück ist dein Gesicht unverletzt geblieben.« Er strich ihr sanft über die Wange.
    »Wenn nicht, wäre es auch nicht schlimm gewesen.« Sie berührte die lange Narbe, die sich von seinem Jochbein über die Wange bis zum Kinn zog. »Du lebst ja auch damit.«
    »Aber ich hätte auch gern darauf verzichtet.« Er legte seine Hand über die ihre, die noch immer sein Gesicht liebkoste.
    »Diese schlimmen Narben auf deinem Rücken, die wolltest du vor mir verbergen, nicht wahr?«
    »Du meinst – so wie in Alvelingeroth?«
    Sie nickte.
    »Zu der Zeit habe ich Fragen befürchtet.«
    »Zu der Zeit? Mittlerweile nicht mehr?«
    »Ich habe die Geschichte Karim erzählt. Manche Erinnerungen verlieren ihre Schrecken, wenn sie ausgesprochen sind.« Er holte tief Luft. »Ich habe schon einmal ein Kind aus einem brennenden Haus gerettet, aber damals traf mich ein brennender Balken. Daher stammen die Narben.«
    »Du bist einer der mutigsten Männer, von denen ich je gehört habe.«
    »Früher stürzte ich mich oft in Gefahr, ohne nachzudenken. Es ist nicht immer einfach, zwischen Mut und Dummheit zu unterscheiden.«
    »War es dumm, das Kind zu retten?«
    »Es war das einzig Richtige, und ich täte es immer wieder. Dennoch war es eine Dummheit, für die Thomas und ich einen hohen Preis zahlen mussten.«
    »Wie sagtest du doch so richtig zu meiner Mutter, als es darum ging, den Bischof zu entlarven? Es ist niemals ungefährlich, in schwierigen Zeiten das Richtige zu tun.«
    »Du willst gar nicht wissen, welchen Preis wir zu zahlen hatten?«
    Sie blickte ihm in die Augen, achtete auf das Feuer. Es leuchtete hell. Ob er wirklich bereit war, ihr von sich zu erzählen? Eine seltsame Scheu überkam Antonia. Plötzlich schämte sie sich für ihr früheres Ungestüm. Sie hatte tatsächlich immer nur an sich gedacht, an ihre eigene Neugier und ihren Wunsch, Stephans Herz zu gewinnen. Plötzlich kam ihr jede Frage ungehörig vor. Es war sein gutes Recht, seine Vergangenheit für sich zu behalten, wenn er ihr dafür die Gegenwart schenkte.
    »Möchtest du es denn erzählen?«, erkundigte sie sich vorsichtig.
    »Vielleicht.« Das Leuchten seiner Flamme wurde kräftiger.
    »Vielleicht?«, wiederholte sie und ging auf sein

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