Die Tochter der Suendenheilerin
stellen.«
»Das tust du keineswegs. Ich wurde als Säugling getauft, um dem Glauben meiner Mutter Genüge zu tun. Aber ich lebe nach den Regeln des Propheten, so wie mein Vater es von mir erwartet.«
»Kann man zwei Herren dienen?«
Antonia bemerkte Christians zweifelnden Blick.
»Ich diene nicht zwei Herren. Es gibt nur einen Gott. Die einzige Streitfrage liegt darin, ob Jesus sein Sohn oder Mohammed sein Prophet war. Woher wollen wir wissen, ob nicht beides stimmt? Womöglich war Jesus sein Sohn und Mohammed dennoch sein Prophet.«
Christian räusperte sich, doch Philip lachte. »Eine gute Antwort, Karim«, sagte er, bevor Christian etwas entgegnen konnte. »Doch ich erführe gern, wie die Geschichte mit den Kreuzrittern weiterging.«
»Viel weiß ich darüber nicht zu berichten, denn auch ich erfuhr das meiste nur aus zweiter Hand. Aber da mein Vater noch ein Gestüt in Kairo besitzt, war ich des Öfteren auf den unsicheren Wegen zwischen Alexandria und Kairo unterwegs. Und so wurde ich Zeuge des Heereszugs. Die Kreuzritter hatten nach der Eroberung von Damiette überlegt, ob sie Alexandria überfallen oder aber das Nildelta hinauf nach Kairo ziehen sollten, um dort das Hauptheer des Sultans zu stellen. Es war ein gewaltiger Tross aus Rittern, Knechten und Weibern, Sklaven, Pferden und Kamelen. Ein Teil von ihnen nutzte die erbeuteten Schiffe, aber die meisten folgten dem Lauf des Nils zu Fuß oder zu Pferd. Ich sah ihre Karawane nur von Weitem und wich ihr nach Möglichkeit aus, denn ein Zusammentreffen wäre gewiss mein Todesurteil gewesen. Es war unser Glück, dass die Franken die Entscheidung gegen das Heer des Sultans ohne Umwege suchten, denn so blieb Alexandria abermals verschont, und die Kreuzritter wurden vernichtend geschlagen. Der französische König und Tausende seiner Gefolgsleute gerieten in Gefangenschaft. Es heißt, Sultan Turan Schah habe angeordnet, die meisten der christlichen Ritter enthaupten zu lassen. Manche berichten, der Wüstenboden sei vom Blut Hunderttausender geköpfter Christen durchtränkt worden. Nur die Vornehmsten wurden gegen Lösegeld freigelassen. Aber einige Kreuzritter waren Gefangennahme und Tod entgangen. Und mit denen haben wir bis heute zu tun. Sie sind nicht besser als Räuberbanden, denn sie haben nichts zu verlieren. Jene, denen ich begegnete, glichen verwundeten Tieren, die in Panik um sich beißen und nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden. Sie hatten allesamt ihren Glauben verloren.«
Eine Weile herrschte betretenes Schweigen. Unwillkürlich musste Antonia an Stephan denken. Auf einmal erschien es ihr gar nicht mehr so ungewöhnlich, dass er seit seiner Rückkehr das Lachen verloren hatte. Wenn Karims Bericht auch nur zur Hälfte stimmte, so waren die Kreuzritter auf dem Weg ins Himmelreich geradewegs in die Hölle geritten.
»Genug der Gräuel!«, fuhr Lena dazwischen. »Erzählt lieber von euch! Ihr habt eine lange Reise auf euch genommen, voller Gefahren und Abenteuer. Einfach nur, um uns kennenzulernen? Oder verbirgt sich noch etwas anderes dahinter?«
»Wir haben das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden und einige vorteilhafte Handelsabschlüsse auf dem Weg hierher getätigt«, räumte Karim ein. »Aber vor allem sind wir gekommen, um das Band zu festigen, das unsere Familie eint. Donatus und ich hatten den Besuch bei euch schon lange geplant. Eigentlich wollten wir zu zweit reisen, so wie einst Onkel Philip und mein Vater. Doch dann kam Sachmet mit dem Vorschlag, uns zu begleiten. Und so haben wir diese große Eskorte an unserer Seite, denn der Scheik der Sethi hätte seine Tochter niemals schutzlos ziehen lassen.«
»Bemerkenswert, dass er es überhaupt erlaubte«, meinte Christian. »Für eine Frau ist eine solche Reise noch gefährlicher als für einen Mann.«
Bertram lachte. »Christian, du kennst ihre Mutter nicht. Wenn Sachmet nur halb so viel Temperament hat wie ihre Mutter, dauert mich jeder Mann, der sich mit ihr messen will.«
Sachmet lächelte verschmitzt. »Meine Mutter wusste die rechten Worte zu wählen, um meinen Vater von meiner Reise zu überzeugen. Mein Bruder besucht die Schulen der Gelehrten der arabischen Welt, dann habe ich doch wohl das Recht, die Stätten der Weisheit meiner Mutter aufzusuchen.«
»Du hast noch einen Bruder?«, fragte Lena. Sachmet nickte. »Tawil ist drei Jahre jünger als ich, gerade sechzehn. Aber er hält sich schon für einen Mann.« Sie lachte.
Die Gepardin Nebet, die bislang
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