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Die Tochter der Tibeterin

Die Tochter der Tibeterin

Titel: Die Tochter der Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Yudon hatte in zweiter Ehe einen indischen Teppichhändler geheiratet, der recht wohlhabend war. Trotzdem entschied ich, für Nambols Ausbildung aufzukommen. Er ist mein Sohn, der einzige, der mir nahe steht. Yudon war hübsch, gutmütig und gescheit, für ein normales Leben mit einem häuslichen Mann gemacht. Ich passte nicht zu ihr, und sie lief mir davon. Die Sache hatte keinen Sinn.
    Yudon war eine Frau, für die man sorgen musste.«
    »Weiß Nambol von früher?«
    »Von meinem schönen, glänzenden Leben?«
    »Ja. Was hast du ihm erzählt?«
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    »Ich habe ihm erzählt, dass mein Leben verzweifelt war.«
    »Die Zeiten haben sich geändert, Atan.«
    »Nein. Wenn ein Mann verbrennt, bleibt nur eine Handvoll Asche.«
    Dolmas Haus war, wie früher alle tibetischen Häuser, nach Süden, zur Sonne, ausgerichtet. Am Dachfirst waren noch das Symbol des Dreizacks sowie ein linksdrehendes Kreuz zu sehen; die Talismane hatten die Aufgabe, Unwetter abzuhalten. Die Pumpe im Hof war an das öffentliche Wassernetz angeschlossen. Zur ebenen Erde befand sich die Vorratskammer; das Brennholz war an der Wand aufgestapelt. Es lebten auch verschiedene Katzen dort, und Hühner versteckten ihre Eier im Stroh. Der Hauseingang war in der Mitte durch eine Treppe geteilt, deren erster Absatz aus Granitstufen bestand, der übrige Teil aus Holz. Regale mit alten Büchern schmückten die Wände. Das Zimmer links von der Treppe wurde als Wohnraum benutzt; der Fußboden war aus Stein, und darauf lag ein abgenutzter Teppich, in dessen Mitte ein verblichenes Stück Seide eingewebt war. Unter dem mit Eisengitter versehenen Fenster war eine Sitzbank aus Holz und Mattengeflecht. In der Mitte des Raumes befand sich eine Feuerstelle, durch eine viereckige steinerne Einfassung gekennzeichnet. Geheizt wurde mit getrocknetem Yakdung. Es war der Raum, der am meisten benutzt wurde. Auf handgefertigten Regalen standen die Utensilien des täglichen Gebrauchs: Thermosflaschen, Porzellantassen und ein Vorrat an Kerzen.
    Daneben war – nach alter Sitte – ein kleiner Gebetsraum eingerichtet. Der Mittelpunkt bildete eine Messingstatue des Tschenresis, des Buddhas der Barmherzigkeit, mit seinen tausend hilfreichen Händen, symbolisch durch einen Strahlenkranz dargestellt. Das Symbol des Dalai Lama, auch hier. Vor der Statue, die nicht sehr groß, aber alt und vermutlich wertvoll war, standen auf einem kleinen Altar die acht Silberschalen für das Wasseropfer, und ebenso viele Kelche, auch sie aus Silber, gefüllt mit frischer, flüssiger Butter, in der die Dochte schwammen und das ewige Licht brannte. Einige schöne Thankas – Rollbilder – hingen an den Wänden. Auf der anderen Seite der Treppe befanden sich zwei kleine Schlafräume; die niedrigen Betten waren mit Matten ausgelegt, die mit Yakhaaren ausgestopft waren, mit jeder Menge Schaffelle, Steppdecken und Polsterkissen versehen. An den Wänden standen Truhen und Schränke.
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    Ein Stockwerk höher befand sich die ziemlich große und hohe Küche; der wuchtige Ofen mit den vielen Schubladen hatte ein Abzugrohr, das durch ein Loch am Fenster ins Freie führte. Die Küche machte einen einfachen, altertümlichen Eindruck; alles an den Geräten war schwer und handfest: die sorgfältig verzinnten Kupfertiegel, die Körbe, die Ölpfannen, das zylinderförmige Holzfass mit dem Stößel zur Bereitung des Buttertees. In dem Feuerbecken wurde Tag und Nacht unter der Asche Glut unterhalten; auf dem Wasserstein fehlte niemals ein großer Eimer voll Wasser, das aus der Pumpe im Hof geschöpft wurde; es gab sogar einen winzigen Raum mit einer altmodischen Sitzbadewanne, einem kleinen Wandspiegel und zwei Trageeimern für das Wasser, das in der Küche erwärmt wurde.
    Für den Haushalt war ein Dienstmädchen verantwortlich. Aus einer Bauernhütte von armen, frommen Leuten stammend, war Deki vor zwanzig Jahren in Dolmas Dienst getreten. Sie hatte rote Wangen und kleine Hände und Füße. Ihre Brauen waren sehr dicht, Kennzeichen eines starken Willens. Wenn sie hart arbeitete, so tat sie dies freiwillig, denn sie war Arbeit gewohnt. Sie schleppte die Wassereimer, spaltete Holz, kehrte täglich die Fußböden, bis sie blitzblank waren, und versäumte auch nie, die Latrinen zu spülen und zu fegen, die auf diese Weise hygienischer waren als chinesische Einrichtungen der gleichen Art. Deki trug ein geflochtenes Kopfband und ein rechteckig zusammengelegtes schwarzes Tuch, das den Scheitel bedeckte und auch als

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