Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
Boden; sie hatte ihre Finger immer noch in meinem Haar, und es war, als könne sie tief in mich hineinsehen, meine Gedanken lesen, als wüsste sie genau, was ich getan hatte. Ich wich von ihr zurück.
    Es dauerte nur einen Augenblick lang. Dann lächelte sie, und ihr Blick änderte sich wieder. Aber ich hatte es gesehen, und sie hatte es gesehen. Wir hatten erkannt, dass wir Feinde waren. Was immer sie sein mochte, was immer sie wollte, mein Herz zog sich dabei zusammen. Und dennoch glaube ich, dass sie verblüfft war über die Kraft, die sie in mir sah.
    »Ich werde dir zeigen, wie wir dein Haar für die Hochzeit frisieren«, sagte sie, als wäre nichts geschehen. »An den Seiten geflochten und hinten aufgesteckt …«
    »Nein«, sagte ich, wich weiter zurück und zog mein Haar aus ihrem Griff. »Nein danke. Ich werde es selbst frisieren, oder Eilis wird es tun. Und ich werde auch etwas finden, was ich anziehen kann …« Ich warf einen sehnsüchtigen Blick zur Tür.
    »Ich bin jetzt deine Mutter, Sorcha«, erklärte Oonagh mit eiskalter Endgültigkeit. »Dein Vater erwartet, dass du mir gehorchst. Deine Erziehung gehört jetzt zu meinen Aufgaben, und du wirst lernen, zu tun, was ich dir sage. Also wirst du das grüne Kleid tragen. Morgen kommt die Schneiderin, um Maß zu nehmen. Inzwischen versuche, dich sauber zu halten. Es gibt hier Diener, um Rüben auszugraben und den Misthaufen zu wenden – in Zukunft wirst du deine Zeit mit Besserem verbringen.«
    Ich floh, aber ich konnte ihr nicht entkommen. Ich würde Grün zur Hochzeit tragen, ob es mir nun gefiel oder nicht; und ich würde mit meinen Brüdern dabeistehen und zusehen; wie Lord Colum eine – was war sie? Eine Hexe? Eine Zauberin wie in den alten Geschichten, mit einem hübschen Gesicht und Bosheit im Herzen? Sie hatte eine Macht an sich, das war sicher, aber sie hatte nie zu ihnen gehört. Die Herrin des Waldes, die ich glaubte gesehen zu haben, erweckte mehr Ehrfurcht – aber sie war wohl wollend, wenn auch schrecklich. Ich nahm an, dass Oonagh etwas anderes war, gleichzeitig weniger mächtig und gefährlicher.
    ***
    Ich stand in meinem grünen Gewand vor dem Spiegel, während sie mir Bänder ins Haar flocht und mich über meine Brüder ausfragte. Wieder richteten die seltsamen Geschöpfe ihre Rubinaugen auf mich, und ich antwortete gegen meinen Willen.
    »Sechs Brüder«, murmelte sie. »Was für ein glückliches Mädchen du doch sein musst, in einem Haushalt solcher Männer aufzuwachsen! Kein Wunder, dass du anders bist als andere in deinem Alter. Zum Beispiel diese kleine Eilis. Ein liebes Mädchen. Hübsches Haar. Sie wird bald Kinder bekommen, und ihre Blüte wird rasch vergehen.« Mit einem Fingerschnippen entledigte sie sich jeden Gedankens an die arme Eilis, dann knotete sie das grüne Band und zog das Ende fest. »Dein Bruder hätte eine Bessere finden können. Viel besser. Ein ernsthafter Junge, nicht wahr?«
    »Er liebt sie!« Damit war ich unklugerweise herausgeplatzt, um Liam zu verteidigen. Ich mochte seine Liebe zu Eilis einmal bedauert haben, aber ich würde nicht daneben stehen und zuhören, wie diese Frau die Wahl meines Bruders kritisierte. »Was kann man Besseres tun, als aus Liebe heiraten?«
    Diese Bemerkung wurde mit Kaskaden von Gelächter begrüßt; selbst die säuerliche Dienerin lächelte über meine Naivität.
    »Ja wirklich!« meinte Oonagh leichten Herzens und steckte einen kurzen Schleier über mein geflochtenes Haar. Die Gestalt im Spiegel war kaum mehr wieder zu erkennen – ein bleiches Mädchen mit umschatteten Augen, deren elegantes Kleid nicht so ganz zu ihrer gehetzten Miene passen wollte. »Das sieht soviel besser aus, Sorcha. Siehst du, wie es die Linien deiner Wangen weicher werden lässt? Ich werde vielleicht sogar stolz auf dich sein können, meine Liebe. Und jetzt sag mir, es scheint, als neige deine Familie zu Zwillingsgeburten – und dennoch habe ich nie unterschiedlichere Brüder gesehen als den jungen Cormack und Conor. Äußerlich gleichen sie sich wie Erbsen – ihr seid euch alle recht ähnlich, mit euren langen Gesichtern und den großen Augen. Cormack ist ein reizender Junge, und dein Vater sagt mir, dass er ein vielversprechender Kämpfer ist. Sein Zwilling hingegen ist sehr – zurückhaltend. In vielerlei Hinsicht beinahe wie ein alter Mann.«
    Ich schwieg. Die Dienerin rollte Bänder zusammen und hatte die Lippen fest zugekniffen. Hinter mir arbeitete die Schneiderin aus dem Dorf immer

Weitere Kostenlose Bücher