Die Tochter der Wälder
noch am Fall des Rocks. Es war ein anmutiges Gewand; ein anderes Mädchen hätte es vielleicht mit Stolz getragen.
»Ich glaube, Conor lehnt mich ab«, meinte Oonagh. »Er stürzt sich mit einer Entschlossenheit in die Haushaltsangelegenheiten, die für einen Mann seines Alters ungewöhnlich ist. Glaubst du, er ist vielleicht eifersüchtig, dass sein Zwilling sich so hervortut? Möchte er in Wahrheit vielleicht ein Krieger sein und sich vor seinem Vater bewähren?«
Ich starrte sie an. Sie sah so viel und doch so wenig. »Conor? Kaum. Er folgt immer einem Weg seiner eigenen Wahl.«
»Und was für eine Wahl ist das, Sorcha? Möchte ein kräftiger junger Mann wirklich sein Leben als Schreiber verbringen, als Verwalter des Haushalts seines Vaters? Welcher Junge würde nicht lieber reiten und kämpfen?«
Ihr Blick begegnete dem meinen im Spiegel, und die bronzenen Geschöpfe erhielten Macht von diesem Blick und hefteten ihr mürrisches Starren auf mich. Es gelang mir nicht zu schweigen.
»Es gibt auch ein inneres Leben«, flüsterte ich. »Du siehst nur Conors Oberfläche. Du wirst Conor nie kennen, wenn du nur das ansiehst, was er tut. Du musst herausfinden, was er ist.«
Es folgte ein kurzes Schweigen, nur unterbrochen vom Rascheln von Oonaghs Gewand, als sie sich hinter mir bewegte.
»Interessant. Du bist schon ein seltsames Mädchen, Sorcha. Manchmal kommst du mir wie ein solches Kind vor, und dann machst du eine Bemerkung wie eine uralte Frau.«
»Ich – kann ich jetzt gehen? Sind wir fertig?« Ich fühlte mich plötzlich ganz elend. Warum konnte ich in ihrer Gegenwart meine Zunge nicht beherrschen? Ihre letzten Worte hatten mich an Simon erinnert, und ich konnte nicht zulassen, dass sie meine Gedanken über ihn bemerkte, denn wenn sie die Wahrheit erfahren würde, würde sie nicht zögern, damit zu Vater zu rennen, und das würde nicht nur Simon, sondern auch Finbar, mich und Conor gefährden.
Die Anprobe war offenbar vorüber. Die Schneiderin begann, die Nadeln eine nach der anderen zu lösen. Es gab viele Nadeln.
»Von deinem jüngsten Bruder sehe ich nicht viel«, sagte Oonagh lächelnd. Sie saß jetzt am Fußende ihres Betts und wippte mit dem Fuß. In ihrem weißen Kleid mit dem Haar, das ihr auf die Schultern fiel, sah sie nicht älter aus als sechzehn. Bis man ihr in die Augen schaute. »Immer ist er unterwegs, dieser Padraic. Man sollte fast glauben, dass er mich meidet. Was hält ihn vom Morgengrauen bis nach dem Abendessen vom Haus fern?«
Das schien ungefährlich zu sein.
»Er liebt Tiere, und er repariert gerne Dinge«, sagte ich. Es war kalt in der Kammer, trotz des Feuers. »Er hält Tiere in der alten Scheune. Wenn ein Vogel sich den Flügel gebrochen hat oder ein Hund verletzt ist, kümmert sich Padraic darum. Und er kann so gut wie alles bauen.«
»Hmm«, sagte sie. »Also noch einer, der kein Krieger sein wird.« Ihr Tonfall war kühl.
»Meine Brüder können alle mit Schwert und Bogen umgehen«, sagte ich verteidigend. »Sie wählen vielleicht nicht Vaters Weg, aber es mangelt ihnen nicht an Fähigkeiten eines Kriegers.«
»Selbst Finbar nicht?«
Die Augen der Geschöpfe am Spiegel glitzerten. Ich starrte zurück, nahm meine ganze Willenskraft zusammen und schloss den Mund fest. Sie war plötzlich wieder hinter mir und hatte die Haarbürste in der Hand. Sie wartete, während die Dienerin grimmig das Netz grüner Bänder löste, das mein Haar zähmte.
»Du möchtest jetzt darüber nicht sprechen, aber wie kann ich eine gute Mutter für diese Jungen sein, wenn ich sie nicht kenne?« Sie seufzte ausdrucksvoll. »Ich fürchte, Colum hat einige seiner Söhne bevorzugt und andere vernachlässigt. Ich spüre eine sehr kühle Atmosphäre, wenn es um den jungen Finbar geht. Was kann er nur getan haben, um das zu verdienen? Ist es einfach seine Weigerung, am Krieg seines Vaters teilzunehmen? Oder ist es, dass er seiner Mutter nie wirklich verziehen hat, dass sie starb und ihn allein ließ?«
»Das ist ungerecht!« Ich stand auf, fuhr herum und entriss der Dienerin damit mein Haar. Der Schmerz kümmerte mich nicht. »Mutter hatte es sich nicht ausgesucht zu sterben! Selbstverständlich fehlt sie ihm – sie fehlt uns allen. Niemand kann je die Leere wieder füllen, die sie hinterlassen hat. Aber wir sind nicht allein, waren es nie, wir haben einander. Verstehst du das denn nicht? Wir sind Freunde und Verwandte, wir sind Teil voneinander wie Blätter am selben Zweig oder Tümpel im
Weitere Kostenlose Bücher