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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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sonst sehen konnte. Ich bemerkte die Og-ham-Einkerbungen an Baumstämmen und hier und da auf moosüberzogenen Steinen; und ich wusste, dass die geheimnisvollen Künste, die Conor begonnen hatte zu lernen, ihre Wurzeln hier im uralten Wald hatten.
    Eines Tages entdeckte ich zufällig den geheimsten aller Orte. Auf der Suche nach der stacheligen Pflanze watete ich ein Bachbett entlang, und Linn platschte begeistert vor mir her. Wir bogen um eine Kurve und duckten uns unter einem Felsüberhang durch. Dann blieb Linn stehen. Ich hielt hinter ihr inne. Auf der anderen Seite eines runden Teiches stand eine riesige, ehrwürdige Eiche, deren Wurzeln sich weit erstreckten, tief in die Erde verknotet. Ihr Wipfel breitete sich dicht über mir aus, so dass das Licht kaum durch die unteren Äste drang. Die Blätter würden schon bald fallen, denn sie zeigten jede Schattierung von Rot und Bronze. Goldholz hing dick von den obersten Ästen. Und direkt mir zugewandt, in die Rinde geschnitzt, war ein uraltes Gesicht, hinterlassen von einem Wahrheitssucher. Es war weder männlich noch weiblich, weder freundlich noch abschreckend. Es war einfach da.
    Linn wagte sich nicht näher, sondern ließ sich im Unterholz nieder, um auf mich zu warten, die Ohren gespitzt. Ich empfand Achtung, aber keine überwältigende Ehrfurcht. Immerhin gehörte mir dieser Wald ebenfalls. Also ging ich rund um den Teich, um mir alles näher anzusehen. Vor dem Gesicht, am Rand des Wassers, lag ein großer Stein, die Oberfläche schimmernd glatt von der Zeit und von Berührungen.
    Dann erstarrte ich. Andere waren vor mir hier gewesen, und vor nicht allzu langer Zeit. Denn auf diesem Stein lag eine Opfergabe. Ein Stück Landbrot. Ein Stück Käse. Ich warf einen Blick zurück zu dem Hund und bedeutete ihr, still zu bleiben. Kein Laut kündete von menschlicher Aktivität, nur das Singen der Vögel und das entfernte Rauschen von Blättern war zu hören. Ich hielt den Atem an. Wer immer diese einfachen Geschenke hinterlassen hatte, war vielleicht schon wieder weg, aber Linn und ich sollten gehen, denn diese Gegenstände zeigten keine Anzeichen von Ameisen oder Käfern, sie waren noch nicht lange hier gewesen. Dennoch, ich konnte mich kaum rühren. Obwohl es die fruchtbare Zeit des Jahres war, war ich sparsam gewesen wie ein Eichhörnchen, hatte Nüsse und trockene Beeren für den Winter zurückgelegt, und ich hatte Hunger. Die Vorräte, die meine Brüder mir gebracht hatten, gingen rasch zur Neige. Ich war immerhin noch nicht einmal vierzehn und konnte das körnige Brot, den milden, weichen Käse beinahe schmecken. Linn gab ein leises Winseln von sich, und das trieb mich zu einem Entschluss. Ich nickte dem alten Gesicht in der Eiche respektvoll zu, dann steckte ich Brot und Käse in die Tasche, und wir machten uns auf den Heimweg.
    Im Nachhinein sehen die Dinge oft anders aus. Damals, als ich wieder sicher an unserem kleinen Feuer saß und diese wunderbare, unerwartete Festmahlzeit mit dem Hund teilte, freute ich mich über den Schutz des Waldes und hätte nie geglaubt, dass eine solch kleine Tat solch schreckliche Konsequenzen haben könnte. Tatsächlich glaubte ich damals, es sei ein Glück gewesen, dass mir dank des guten Willens der Waldgeister oder vielleicht der Herrin des Waldes selbst zugefallen war. Ich hatte allerdings noch ein wenig Vernunft bewahrt, also ging ich lange Zeit nicht mehr an diesen Ort. Ich war nicht dumm genug, die Entdeckung derart zu provozieren.
    ***
    Zeit verging, und ich spann den Faden für ein zweites Hemd. Das Erste sah ziemlich jämmerlich aus, die gewebten Rechtecke mühsam zusammengenäht, die Ärmel ungleichmäßig lang. Aber es würde genügen. Eines Morgens war Reif am Boden, und die Büsche trugen Gewänder aus glitzerndem Silber, das nach einem dunstigen Sonnenaufgang an einem lavendelgrauen Himmel in kleine Tröpfchen schmolz. Der Winter stand vor der Tür, und mit ihm meine Brüder. Ich arbeitete so stetig, wie ich konnte, immer dankbar für das trockene Holz, das meine Brüder zurückgelassen hatten, denn meine Finger schmerzten von der Kälte. Ich ging das Risiko ein, ein größeres Feuer zu entzünden, und briet gestohlene Rüben in den Kohlen. Ein- oder zweimal schneite es, weiche Flocken, die dem Netz der nackten Zweige entkamen und lautlos vor meiner Tür auf den Boden fielen. Hier, wo die Bäume dicht am Wasser standen, lag der Schnee nicht tief, und dafür war ich dankbar. Ich trug mein altes Kleid und das rote

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