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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Bei Ehebruch genügte vielleicht eine Auspeitschung oder eine andere Form öffentlicher Demütigung. Auf die Beherbergung von Gesetzlosen stand der Tod. Es war beinahe überflüssig, noch Zauberei hinzuzufügen. Was die Bestrafung dafür anging, gab es diverse Methoden. Es würde ihm Freude machen, die angemessene auszuwählen. Allerdings waren im meinem Fall die Dinge nicht so einfach. Es schien, dass gewisse Mitglieder des Haushaltes störrisch darauf bestanden, dass alles streng nach Gesetz durchgeführt wurde, wie es Lord Hugh zweifellos gewünscht hätte. Die Angelegenheit konnte bei der nächsten offiziellen Gerichtssitzung in weniger als zwei Monden verhandelt werden. Vor dieser Versammlung sämtlicher Bewohner von Harrowfield konnte der Herr des Hauses sich die Aussagen aller Beteiligten anhören, eine Entscheidung treffen und sein Urteil fällen, wie es dem Gesetz des Königs entsprach. Denn es gab hier, nachdem Wessex sich des Nordens bemächtigt hatte, nur noch einen König. Aber dieser Fall war schwierig und betraf ein enges Familienmitglied des Landbesitzers und gleich drei Anklagen auf einmal. Vielleicht sollte man ihn vor ein höheres Gericht bringen, vor König Ethelwulfs eigenen Ratsherrn. Und diese Sitzung würde wahrscheinlich nicht stattfinden, bevor Lord Hugh zurückgekehrt war. Es war am besten, bis dahin zu warten, sagten einige.
    Aber Richard sah das nicht ein. Die Leute waren unruhig, konnten sich nicht angemessen mit ihrer Arbeit befassen, und alles musste vor Lord Hughs Rückkehr in Ordnung gebracht werden. Außerdem war Richard der Besitzer des Nachbargutes. Er war ein enger Verwandter und damit so gut wie Herr über Harrowfield, solange Hugh abwesend war. Die Entscheidung stand ihm zu. Ich war eingeschlossen in einem winzigen Raum im Obergeschoss und hörte nur hin und wieder, was geschah, wenn jemand die Tür entriegelte, um mir Brot und Wasser zu bringen oder den Eimer zu holen, der neben einem Strohsack und einer dünnen Decke das einzige Mobiliar der Zelle bildete. Das Zimmer hatte eine einzige, sehr kleine Öffnung zum Licht, hoch in der Außenwand. Durch dieses Fenster konnte ich am Tag einen kleinen Flecken Blau erkennen, und in der Nacht schien ein Stern in der Dunkelheit. Wäre ich tatsächlich imstande gewesen, mich zu verwandeln, hätte sich die kleine Eule vielleicht nach draußen zwängen können, hinaus ins Dunkel und über das Wasser zurück in die Arme ihres Waldes. Ich sehnte mich danach, nach meinen Brüdern rufen zu können. Aber ich brachte meine innere Stimme zum Schweigen. Es konnte nur einen Ruf geben; nur dann, wenn meine Arbeit beendet war und ich sie alle befreien konnte.
    Zunächst war ich vollkommen verzweifelt, denn sie hatten mich mit nichts als dem Kleid, das ich trug, in dieses kleine Gefängnis geworfen; selbst meine Stiefel hatten sie mir abgenommen. Ich stellte mir vor, wie Richards Leute mein Zimmer durchsuchten, Spinnrocken und Spindel beiseite und den Inhalt von Truhe und Korb ins Feuer warfen. In jener ersten Nacht saß ich in der Ecke, die Knie an die Brust gezogen, die Arme darumgeschlungen, und weinte. Ich fürchtete, sie würden Conor gefangen nehmen. Ich fürchtete, ich würde meine Brüder niemals retten können; und dennoch, solange ich lebte, bestand immer noch eine Chance, und daher durfte ich nicht sprechen, um meine Unschuld zu beweisen. Aber wenn man mich schuldig befand, würde ich sterben, und niemand konnte sie retten. Ich fürchtete, dass man mich foltern würde; ich hatte gesehen, was sie Simon angetan hatten, und ich wusste, dass ich dem nicht so widerstehen könnte, wie er es getan hatte. Wie ein dummes Mädchen, dessen Kopf voll Phantasien ist, das von einem Helden auf einem weißen Streitross träumt, sehnte ich mich danach, dass der Rote zurückkommen und mich retten würde. Und dennoch fürchtete ich auch seine Rückkehr, denn würde er nicht ebenso wie Ben glauben, dass ich sie alle verraten hatte? Ich wollte diesen verwundeten, entsetzten Ausdruck nicht auch in seinen Augen sehen müssen. Es war besser, wenn er nicht zurückkehrte, bis … Bis zum Morgengrauen hatte ich aufgehört, mich zu wiegen und zu weinen, und saß da wie eine leere Hülse und konnte nicht mehr denken. Ein Vogel flog am Fenster vorbei und zwitscherte. Und endlich sprach eine Stimme in mir: Ein Fuß vor den anderen. Geradeaus. Das ist der Weg. Geradeaus, Sorcha. Du wusstest, es würde schwer werden. Es wird noch schwerer werden. Ein Fuß und dann der

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