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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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verwundet, erschöpft, von Hass angetrieben; wie er seinen Onkel in Wald und Feld und in den dunklen Hügeln von Harrowfield suchte. Mehr als alles andere sehnte ich mich danach, zu sehen, wie er sicher in den Hof zurückritt. Und so stand ich da und wartete und sah zu, wie die letzten Kohlen des großen Feuers verglühten. Und ich dachte, hat Finbar Recht? Kann das Liebe sein, die das Herz so zerreißt? Gibt einem Liebe nichts anderes als die Macht, einander zu verletzen? Ist es das, was die einfachste Berührung gleichzeitig in Sehnsucht und Schrecken verwandelt? Was immer es war, es fühlte sich wie eine tödliche Wunde an. Und plötzlich schien es, als verginge die Nacht zu schnell, denn bald würde es dämmern, und wir würden uns davonschleichen und über das Wasser nach Hause zurückkehren. Bald würde es Zeit sein, uns zu verabschieden, und ich wusste nicht, welches Gefühl stärker war: die Angst, dass er nicht rechtzeitig zurückkehren könnte, oder die Furcht, dass er es täte.
    Als sie schließlich kamen, geschah es ohne großen Aufwand. Es gab keine Fackeln, keine Trommelschläge. Nur fünf Männer, die in einer Reihe aus dem Dunkeln ritten. Der erste war Ben, dessen schwarze Kapuze sein blondes Haar verbarg. Dann ein anderer, ebenfalls so dunkel gekleidet, dass man ihn in der Nacht kaum sehen würde. Dieser Mann führte ein Pferd, auf dem ein Gefangener saß, dem man die Hände auf den Rücken gebunden hatte. Er hatte dennoch eine arrogante Kopfhaltung, die von Trotz kündete. Sein Gesicht zeigte die Spuren schwerer Schläge, und Blut lief ihm aus einer Wunde oberhalb der Braue. Sie hatten Lord Richard gefunden.
    »Die Tage dieses Mannes sind gezählt«, sagte Cormack, als meine Brüder sich hinter mich stellten. »Er wird sechsmal zur Rechenschaft gezogen werden.«
    »Und noch öfter, würde ich sagen«, meinte Liam, der beobachtete, wie die Reiter näher kamen. Am Eingang unten hingen Lampen, und ihr Licht fiel auf die Gesichter der vier Männer, die den Gefangenen begleiteten. Ich hielt die Luft an. Denn dort war er, als letzter, die rechte Hand locker am Zügel, den linken Arm in einer Schlinge über der Brust. Sein Gesicht war so bleich wie der Leinenverband um seinen Arm und die Schultern, sein Mund grimmig. Er saß sehr aufrecht im Sattel. Als sie unter unserem Fenster vorbeikamen, blickte er auf und wandte sich wieder ab. Dann konnten wir sie nicht mehr sehen.
    Mir war elend zumute, und ich befürchtete, jeden Augenblick in Tränen auszubrechen; und dennoch fühlte ich mich so leer, als würde ich nie wieder weinen können. Verwirrt und verängstigt und – und warum klopfte mein Herz so schnell, als wäre ich gelaufen? Ich wusste, was ich tun musste, was ich sagen sollte. Ich musste es hinter mich bringen und dann gehen. Das war alles. Das sollte nicht so schwierig sein.
    Die Tür ging auf, und es war Ben, der hereinkam, direkt auf mich zukam, ohne irgendwen zu fragen. Es gab ein scharfes, metallisches Geräusch, und plötzlich zeigten mehrere Waffen in seine Richtung.
    »Schon gut, schon gut«, sagte er und hob die Hände in spöttischer Ergebenheit. »Ich bleibe nicht lange.«
    »So werden wir nicht weit kommen«, erklärte ich gereizt. »Er ist ein Freund.« Cormack runzelte die Stirn, aber Liam gab ihnen ein Zeichen, und sie zogen sich zurück.
    »Jenny«, sagte Ben und sah mich an. »Geht es dir gut?«
    Es gelang mir zu nicken. Warum fiel es mir so schwer zu sprechen? Er hatte einen frischen Verband am Handgelenk, und offenbar hatte ihn jemand ins Gesicht geschlagen.
    »Was …?«
    Er grinste schief. »In der derzeitigen Gesellschaft könnte eine Erklärung unklug sein. Sagen wir einfach, es ist gut, dass ich nach ihm gesucht habe. Es ist mir gelungen, mich nützlich zu machen. Nicht, dass er mir gedankt hätte. Er hätte mich am liebsten umgebracht, weil ich dich hier allein gelassen habe, das war aller Dank, den ich bekam. Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«
    »Ich dachte … ich dachte, du …«
    »Dass ich an dir zweifeln würde? Keinen Augenblick. Nun, vielleicht für einen einzigen Augenblick. Dann habe ich nachgedacht. So, wie du und der Rote einander anseht – war da je Platz für einen anderen? Es musste eine andere Erklärung geben. Aber Richard hat dafür gesorgt, dass ich nie in deine Nähe kam, es wimmelte hier von Northwoods Männern. Am Ende machte ich mich auf die Suche nach dem Roten.«
    »Sagt uns«, fragte Conor, »was mit diesem Richard von Northwoods

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