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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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den Altar, um allen Anwesenden zu verkünden, dass beide Herren vor Gott geschworen hatten und damit unschuldig seien.
    »Dies ist geschehen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, amen«, schloss er und schlug nachlässig das Kreuz.
    Marie holte tief Luft und versuchte verzweifelt, ihre Gedanken zu ordnen, Trudi aber sprang auf, eilte nach vorne und blieb mit geballten Fäusten vor den beiden Rittern stehen. »Ich glaube Euch kein Wort! Einer von Euch hat meinen Vater feige ermordet und leugnet dies selbst noch an dieser heiligen Stätte. Gott wird denjenigen, der ihn verhöhnt und das Heiligste mit Füßen getreten hat, noch in diesem Leben bestrafen!«
    Da Trudi aussah, als wolle sie nicht auf die Strafe des Himmels warten, sondern sich selbst auf die beiden Ritter stürzen, griff Markgraf Albrecht Achilles ein und hielt sie auf. »Beruhigt Euch! Ganz gewiss wird Euch Genugtuung und Rache zuteilwerden.« Da Trudi sich gegen seinen Griff wehrte, eilte Marie zu Hilfe und zog ihre Tochter fest an sich.
    »Komm, mein Kind! Auch wenn uns an dieser Stelle die Rache versagt geblieben ist, so wird sie den wahren Mörder gewiss noch ereilen.«
    »Ich will ihn tot sehen und ebenso feige erstochen, wie er Papa getötet hat!«, schrie Trudi so laut, dass die Umstehenden zusammenzuckten.
    Marie brauchte zuletzt Lisas und Hildegards Hilfe, um Trudi aus der Kapelle zu führen. Eichenloh sah ihnen nach und schüttelte den Kopf über den Hass, der in Trudi Adler tobte. Dann erinnerte er sich an eine Szene in seiner Vergangenheit, in der ihn ein ähnlich hilfloser Zorn erfüllt hatte, und er drehte dem Mörder Michel Adlers in Gedanken den Kragen um.

5.
    D ie Kapelle leerte sich rasch. Auch Eichenloh verließ sie hastig, denn ihn drängte es, sich den weißen Fetzen, den er hatte tragen müssen, vom Leib zu reißen und sein gewohntes Wams überzuziehen. Nur der Prälat und die beiden Henneberger hatten esnicht eilig, den Ort zu verlassen, sondern sahen zu, wie Knechte den Sarg des Ermordeten schlossen und hinaustrugen.
    Als deren Schritte verhallt waren, trat Graf Magnus auf Pratzendorfer zu und küsste ihm die Hand. »Ich bin Euch zu höchstem Dank verpflichtet, weil Ihr durchgesetzt habt, dass mein Bruder den Reinigungseid leisten konnte. Wir beide stehen tief in Eurer Schuld.«
    Der Prälat begriff, dass er nun Geld oder Land von dem Grafen fordern könnte, doch mit Ersterem war er gut versehen, und das Zweite interessierte ihn in dieser Ecke des Reiches nur wenig, denn er würde den Besitz dem Würzburger Bischof übergeben müssen. Dennoch wollte er den Hennebergern diesen Dienst nicht umsonst erwiesen haben.
    »Es gibt etwas, was Ihr oder, besser gesagt, Euer Bruder für mich tun könnte. Es wäre sogar in Eurem Sinne, denn Ihr habt eben den unbändigen Hass der Kibitzsteiner erlebt. Wer weiß, was Adlers Witwe in ihrer Torheit anstellen wird. Sie hat Freunde, die sie aufhetzen kann, Graf Otto aufzulauern und ihn umzubringen. Daher halte ich es für besser, wenn Euer Bruder dieses Land verlässt und in die Dienste eines höheren Herrn tritt.«
    »Das wäre gewiss das Beste!« Graf Magnus behagte die Vorstellung wenig, Marie Adler könnte womöglich einen Meuchelmörder auf seinen Bruder ansetzen.
    »Aber ich bin den frommen Frauen von Hilgertshausen verpflichtet«, wandte Otto von Henneberg ein.
    »Dieser Dienst führt dich direkt wieder an die Kibitzsteiner Grenzen. Frau Marie würde vor Freude jubeln, wenn du so verrückt wärst, dort zu erscheinen. Nein, mein Sohn, du wirst nicht zu den Stiftsdamen zurückkehren, sondern nach Österreich reiten und Herzog Albrecht deinen Dienst antragen. Er ist mein eigener Landesherr und ein wahrer Sohn Habsburgs! Unter seinem Banner wirst du Ruhm, Ehre und Reichtum erwerben.« Pratzendorfers Tonfall erlaubte keinen Widerspruch.
    Es kamen auch keine Einwände. Magnus von Henneberg war froh, dass sein Bruder in den Dienst eines der mächtigsten Reichsfürsten treten konnte, und Graf Otto ging es so schlecht, dass es ihn kaum interessierte, was über ihn beschlossen wurde. Er wollte nur weg von diesem vor Hass verrückten Mädchen und der Witwe des Toten, deren durchdringender Blick ihm Angst gemacht hatte. Daher bat er seinen Bruder, ihn noch am gleichen Tag abreisen zu lassen.
    Pratzendorfer unterstützte lebhaft seinen Wunsch. »Graf Otto hat recht! Nach allem, was geschehen ist, sollte er nicht länger bleiben. Lasst verlauten, er würde zu Eurem Stammsitz reiten und

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