Die Tochter der Wanderhure
nicht, dass andere Leute hereinkommen, während ich mich wasche.«
»Das war wohl auf Stammberg gemünzt, was? Ich habe schon gemerkt, dass diesen Kerl der Hafer sticht. Aber die Frechheit, in Eure Kammer zu platzen, hätte ich ihm nicht zugetraut. Ihr werdet tatsächlich den Riegel vorschieben müssen. Das ist zwar ärgerlich, aber …« In dem Augenblick machte die Magd eine drohende Handbewegung und hätte dabei beinahe Trudis Hemd fallen lassen. Gerade noch konnte sie verhindern, dass es ihr aus der Hand rutschte.
Trudi fauchte wie eine Katze, die man auf den Schwanz getreten hatte. »Ich mag es nicht, wenn Männer mich nackt sehen.«
»Das mag ich auch nicht. Dabei bin ich nur eine Magd und keine hohe Dame wie Ihr.«
Trudi begann unwillkürlich zu lachen. »Ich erinnere mich noch gut an die Ohrfeige, die du Lampert gegeben hast, als er letztens in unsere Kammer gekommen ist und du nur dein Hemd anhattest. Dabei hat er dir wirklich nichts abschauen können.«
»Er hätte anklopfen müssen«, gab Uta zurück.
»Wie denn? Er hatte ja beide Arme voll!«
»Mit dem Knie halt – oder mit etwas anderem.« Erst als der Satz heraus war, merkte Uta, dass der letzte Teil doch ein wenig anzüglich klang, und setzte rasch hinzu: »Die Füße meine ich!« Rasch wechselte sie das Thema.
»Seit Altötting haben wir vier Reisetage hinter uns gebracht unddamit beinahe die Hälfte bis Graz geschafft. Ich werde froh sein, wenn wir angekommen sind.«
»Und ich erst! Ich will endlich vor dem König stehen und mit ihm reden. Er muss sofort einen Boten nach Kibitzstein senden, damit Mama sich keine Sorgen um mich machen muss.«
Je weiter Trudi sich von Kibitzstein entfernte, umso stärker quälte sie die Situation in der Heimat. Sie hatte schon viel zu viel Zeit verloren und plagte sich ständig mit einem schlechten Gewissen. Es war ihr nicht leichtgefallen, die Menschen, die sie liebte, zu täuschen, und nun zerfraß sie sich vor Angst und Sorge. Wenn die Reise gut ausging, würde sie Kibitzstein ihrer Mutter erhalten können, aber wenn es schlecht endete …
Mit einer heftigen Abwehrbewegung verscheuchte Trudi ihre Ängste und streifte das Hemd über, das die Magd ihr gebracht hatte.
»Übrigens hat Stammberg vorhin behauptet, wir würden unterwegs an seiner Burg vorbeikommen«, erzählte Uta.
Diese Neuigkeit machte Trudi bewusst, wie wenig sie über die beiden Männer wusste, denen sie sich anvertraut hatte. In Altötting hatte ihr die Versicherung gereicht, der Mönch, auf den sie dort getroffen waren, habe sie geschickt, und nicht weiter nachgefragt. In den vier Tagen, die seitdem verstrichen waren, hatten die beiden Ritter zwar viel geredet, dabei aber kaum etwas von sich preisgegeben. Stattdessen hatten sie viel über König Friedrich gesprochen. Zusammen mit dem, was sie in Schweinfurt und auf dem ersten Teil ihrer Reise erfahren hatte, glaubte Trudi sich nun ein gutes Bild von der politischen Lage machen zu können.
Friedrich III. war lange nicht so mächtig, wie sie gehofft hatte, denn sein jüngerer Bruder Albrecht von Habsburg bekämpfte ihn mit allen Mitteln. Überdies hatten einheimische Magnaten in Böhmen und Ungarn die Macht an sich gerissen. Da der König diese Länder für sein Mündel Ladislaus, den Enkel Kaiser Sigismunds, verwaltete, war ihm ein großer Teil seiner Machtbasisweggebrochen, und man nannte ihn schon einen König ohne Land. Dieses Wissen hatte Trudis Hoffnungen, Herr Friedrich könne ihrer Mutter helfen, einen herben Dämpfer versetzt. Doch sie war schon zu weit geritten, um umkehren zu können, und so hoffte sie tief in ihrem Herzen auf ein Wunder.
Trudis Überlegungen kehrten zu den beiden Rittern zurück, und sie wunderte sich, dass Stammberg ihr nichts davon gesagt hatte, dass seine Burg auf dem Weg nach Graz lag. Bisher hatte sie nicht einmal gewusst, aus welcher Gegend Stammberg und Hohenwiesen stammten, und da die Beutel der beiden Herren so leer waren wie eine Mehltruhe bei Hungersnot, hatte sie angenommen, die beiden würden keinen Flecken Land ihr Eigen nennen. Darauf hatte auch der Umstand hingedeutet, dass sie auf Pferden ritten, die bestenfalls Klepper genannt werden konnten. Gegen die beiden Gäule waren selbst Utas und Lamperts Reittiere feine Rösser.
»Kein Wunder, dass die beiden sich einen Dienst bei König Friedrich erhoffen«, sprach sie ihren letzten Gedanken laut aus. Damit verwirrte sie ihre Magd, deren Gedanken mit Stammbergs Wohnsitz beschäftigt waren. Trudi
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