Die Tochter der Wanderhure
und unterbrach ihre Grübeleien. Trotz des eben errungenen Erfolgs hatte er eine sorgenvolle Miene aufgesetztund wies auf einen Trupp Bewaffneter, die von Volkach heraufzogen. »Wie es aussieht, bekommen wir weitere unerwünschte Gäste.«
Falko hatte die schärfsten Augen von allen und zeigte auf das Banner, welches die Männer mit sich führten. »Das sind die Mertelsbacher. Wie es aussieht, hat der alte Moritz das Zeitliche gesegnet und sein Sohn nichts Eiligeres zu tun, als sich dem Fürstbischof als Knecht anzudienen.«
»Wenn mir je einer gesagt hätte, ich würde einmal den Tod von Ritter Moritz bedauern, hätte ich ihn ausgelacht. Er war ein sehr unangenehmer Mensch. Jetzt aber wünschte ich, er wäre so alt geworden wie Methusalem. Bis zuletzt hat er sich gegen den Willen seines Sohnes gestemmt, an Hennebergs Seite gegen uns zu ziehen.« Marie biss sich auf die Lippen, damit sie das, was ihr nun durch den Kopf schoss, nicht aussprach. Der Herrgott im Himmel, dachte sie, musste einen eigenartigen Humor besitzen, so mit seinen Geschöpfen umzuspringen.
Michi dachte an Trudis Freundin, die auch ihm ein wenig ins Auge gestochen hatte, obwohl er wegen seines niederen Standes nicht um sie hätte werben dürfen. »Mir tut es um Bona leid. Ihr Stiefsohn hat ihr von Anfang an ablehnend gegenübergestanden, und jetzt wird er sie wohl noch schlechter behandeln.«
Falko winkte verächtlich ab. »Sie wird zu ihrem Vater zurückkehren und warten, dass ein neuer Ehemann sie von dort fortholt.«
Er hatte Bona nicht verziehen, dass sie ihn stets wie einen kleinen Jungen behandelt und nie ernst genommen hatte. Da es ihm an Erfahrung mit dem anderen Geschlecht fehlte, hatte Bona dennoch die eine oder andere Rolle in seiner Phantasie gespielt. Rasch schüttelte er diesen Gedanken ab und versuchte, die Zahl der Mertelsbacher Waffenknechte zu schätzen.
»Mit denen werden wir auch noch fertig«, meinte er schließlich. Michi wies auf die Banner, die neben Hennebergs Feldherrenzeltaufgesteckt worden waren. »Henneberg hat fünfzig eigene und zweihundert Würzburger Fußknechte bei sich. Dazu kommen die Leute der frommen Damen von Hilgertshausen und des ach so ehrwürdigen Abts von Schöbach. Maximilian von Albach ist ebenso mit seinen Mannen hier aufgekreuzt wie unser lieber Dieboldsheimer Nachbar Ingobert. Außerdem bedankt Herr Ludolf von Fuchsheim sich auf recht eigenartige Weise für die Hilfe, die Ihr ihm anlässlich der Hochzeit seiner Tochter habt zukommen lassen. Diesen Herrschaften haben sich die Aufgebote zweier Vasallen des Würzburger Hochstifts angeschlossen, und jetzt stoßen auch noch die Mertelsbacher dazu. Morgen folgen ihnen möglicherweise das Volkacher, das Gerolzhofener oder das Prichsenstädter Aufgebot.
Nein, Falko, Graf Magnus wird nicht aufgeben, es sei denn, es geschieht ein Wunder und Brandenburg-Ansbach greift doch noch an unserer Seite in den Kampf ein. Das bezweifle ich jedoch. Markgraf Albrecht Achilles wird abwarten, bis wir erledigt sind und er sich der Empörung und der Angst unter den anderen Burgherren sicher genug sein kann, um sie auf seine Seite zu ziehen. Er ist nicht weniger, sondern vielleicht sogar mehr als der Würzburger Bischof auf seinen Vorteil bedacht und wird sich daher gedulden, bis er selbst die Ernte einfahren kann.«
»Und warum kämpfen wir dann noch, wenn es von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist?«, fuhr Falko auf.
»Weil wir an ein Wunder glauben! Ganz gleich, ob es durch den Markgrafen kommt oder von woanders her«, wies seine Mutter ihn zurecht.
Falko senkte beschämt den Kopf. »Es tut mir leid, Mama.«
»Schon gut!« Marie strich ihrem Sohn über das schulterlange blonde Haar, das denselben Farbton aufwies wie das ihre in jungen Jahren. »Der Feind hat sich mit den Adlern auf Kibitzstein angelegt. Jetzt wird er erkennen müssen, dass unsere Schnäbel scharf sind und unsere Krallen fest zupacken können!«
»Das wird auch nötig sein!« Michi wies auf einen weiteren Zug, der langsam auf das Lager der Feinde zukam. Zwar war die Zahl der Männer nicht halb so groß wie die der Mertelsbacher, doch sie führten einen von sechs Ochsen gezogenen Wagen mit sich, auf dem ein mit Stricken befestigtes Rohr aus blitzendem Metall lag. »Magnus von Henneberg erhält Ersatz für seine verlorenen Belagerungsgeschütze. Dieses Kaliber wird uns weh tun.«
»Dann sollten wir zusehen, dass wir es ebenso zerstören wie die anderen Kanonen«, schlug Falko vor.
»Sie
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