Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
und keiner weiß, wohin er gegangen ist.«
Wahrscheinlich interessierte sich Cesare nicht im Geringsten für einen Mann wie Rocco. Solche Menschen nahm er nicht wahr. Doch diesmal überraschte er mich.
»Und wer ist es?«
Nachdem ich ihn aufgeklärt hatte, sagte er:
»Glaubt Ihr, dass Morozzi ihm etwas angetan hat?«
Ich zögerte. Rocco war ein starker und besonnener Mann. Gegen einen Soldaten wie Cesare konnte er vermutlich wenig ausrichten, aber gegen den Priester …
»Ich weiß es nicht … Es klingt nicht sehr wahrscheinlich, aber …« Doch Rocco verschwand nicht so ohne ein Wort. Erst recht nicht, wenn Gefahr im Verzug war.
Cesare musterte mich.
»Ihr sorgt Euch um diesen Mann?«
Mir stockte der Atem, wenn ich daran dachte, dass er sich in Gefahr befinden könnte, und ich konnte nur nicken.
»Er ist ein guter Freund.«
»Und ist seine Frau auch Eure Freundin?«
»Er ist Witwer und hat einen kleinen Sohn …« Plötzlich wurde mir klar, was er dachte. Ich war so überrascht, dass ich den ersten Gedanken aussprach, der mir in den Sinn kam.
»Um Himmels willen, Cesare, Ihr glaubt doch nicht …«
Offenbar tat er genau das. Er schmollte wie ein Kind, das entdecken muss, dass sein Spielzeug ihm nicht allein gehört.
»Das kümmert mich nicht«, sagte er. »Ich möchte nur nicht, dass Ihr Euch ablenken lasst.«
»Dann helft mir«, bat ich. Vielleicht konnte ich ihn ja besänftigen und seine unverhohlene Wut in eine nützlichere Richtung lenken.
Irgendetwas in meinem Benehmen musste ihn angerührt haben, denn er beruhigte sich zusehends und nickte schließlich.
»Wo könnte dieser Rocco Moroni denn hingegangen sein?«
Rasch überlegte ich. Wenn Rocco in Schwierigkeiten war,
hätte ich eigentlich erwartet, dass er zu mir gekommen wäre. Aber der Palazzo war augenblicklich gut bewacht, ebenso der Vatikan. Man hätte ihn vermutlich abgewiesen. Das ließ noch eine Möglichkeit offen.
»Er hat einen Freund im Kapitelhaus der Dominikaner, dem er vertraut«, sagte ich. »Bruder Guillaume. Vielleicht weiß ja er etwas.«
»Ist das derselbe Freund, der uns verständigen will, falls Morozzi bei Torquemada Unterschlupf sucht?«
Als ich nickte, wandte sich Cesare an seine Gardisten, die augenblicklich Haltung annahmen. Kurz berichtete er ihnen, worum es ging. »Erkundigt euch im Kapitelhaus, aber seid vorsichtig. Niemand darf wissen, warum ihr dort seid. Nur Bruder Guillaume.«
Die Männer verbeugten sich, und ich sah ihnen nach, wie sie aus der Basilika in den jungen Tag hinaustraten, bevor ich mich wieder zu Cesare umdrehte.
»Vielen Dank für Eure Hilfe.«
Cesare zuckte die Schultern, als ob es ohne Bedeutung sei, aber sein Blick verriet mir, dass er, genau wie sein Vater, nie etwas tat, ohne einen Preis dafür zu fordern.
» Falls Ihr Euch jetzt wieder auf die Suche konzentrieren könntet, so kann ich Euch verraten, dass meine Männer ein halbes Dutzend versteckter Türen entdeckt haben. Die Basilika ist durchlöchert wie ein Sieb, aber von Morozzi keine Spur.«
»Vielleicht ist er gar nicht hier.« Meine größte Sorge war, dass ich mich geirrt hatte. Womöglich hatten Torquemada und er einen ganz anderen Plan.
Falls ich Morozzi wäre …
Ich hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als ich ihn auch schon beiseite schob. Die Basilika und die Gebäude des Vatikans waren riesig. Falls wir Morozzi an seinem verbrecherischen Tun hindern wollten, musste ich herausfinden, was er vorhatte.
»Wir dürfen nicht den Fehler machen, Morozzi ein weiteres Mal zu unterschätzen«, sagte ich. »Er ist wagemutig und klug, und er schlägt immer genau dort zu, wo wir nicht damit rechnen.«
»Ihr denkt dabei an Giulia, nicht wahr?«, bemerkte Cesare mit finsterem Gesicht.
Ich nickte.
»Morozzis einziges Ziel ist die Vernichtung der Juden. Er ist mindestens so fanatisch wie Torquemada. Gewissen oder Moral kennt er nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass er alles, absolut alles, tun wird, um sein Ziel zu erreichen.«
»In Innozenz hatte er einen gleichgesinnten Verbündeten. Mein Vater glaubt fest, dass der Papst das Edikt unterzeichnet hätte, wenn er länger gelebt hätte. Weil Morozzi damit gescheitert ist, geht er jetzt umso entschlossener vor.«
»Ohne Zweifel«, sagte ich. »Aber er hat das nie als Niederlage betrachtet, denn er hatte sofort einen neuen Plan. Wenn der Erfolg gehabt hätte, hätte er zumindest erreicht, dass der einzige Mann, der das Edikt nicht unterschreiben würde, auch nicht zum
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