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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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Fähigkeit beneidete ich ihn. Ich konnte kaum Schritt mit ihm halten. Seine Gegenwart war so machtvoll, dass sogar der Hauptmann, der die Garde in der Kapelle befehligte und uns den Eintritt verwehren wollte, erstarrte, als ihm Cesare einen Blick zuwarf.
    In der Rückschau halte ich es durchaus für möglich, dass
Cesare noch nie zuvor in der Sixtinischen Kapelle gewesen war. Falls das stimmte, so war es nur mit Borgias Bestreben zu erklären, seine Kinder zu schützen, bis er Papst geworden war und sich alles so dramatisch ändern sollte. Jedenfalls hielt Cesare abrupt inne und drehte sich langsam um sich selbst, um die grandiosen Fresken zu bewundern.
    Die Versuchung Christi schien ihn am meisten anzuziehen.
    »Wer hat das gemalt?«
    »Sandro Botticelli«, antwortete ich.
    Was Cesare vom Teufel und den ungeheuren Schätzen hielt, die Gottes Sohn angeboten wurden, weiß ich nicht. Offenbar interessierte ihn eine Kleinigkeit sehr viel mehr: die Darstellung eines Priesters, der eine Schale voll Blut in seinen Händen hielt.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er.
    Ich hatte meinem Vater vor Jahren dieselbe Frage gestellt.
    »Diese Menschen hier …« Ich deutete auf eine kleine Gruppe mit Tieren, die sich dem Priester näherte. »Es sind Juden, die ihre Tiere opfern wollen. Das soll uns daran erinnern, dass Gott Abraham erlaubt hat, seinen Sohn Isaak zu schonen und stattdessen einen Widder zu opfern. Und dass Gott seinen Sohn geopfert hat, um uns von den Sünden zu erlösen.«
    Cesare sah das Fresko lange an, bevor er sich umdrehte.
    Ich für meinen Teil hielt mich an dem Gedanken fest, dass diese Szene vielleicht eine Bedeutung für Morozzi besaß und er sie womöglich für die Opferung eines Kindes ausgesucht hatte.
    Das Innere der Kapelle war leer. Nur Innozenz’ Sarg stand
noch vor dem Altar, und eine Handvoll Soldaten hielten Wache. Von Morozzi war weit und breit nichts zu sehen.
    »Über uns auf der Empore sind Umkleideräume«, erklärte ich Cesare. »Wir sollten uns auch dort umsehen.« Ich erinnerte mich daran, wie Morozzi von der Galerie auf Vittoro und mich heruntergesehen hatte.
    »Falls Ihr das für wichtig haltet.« Cesare schien nicht sonderlich begeistert, was ich ihm nicht verübeln konnte. Die Zeit flog nur so dahin, und wir waren dem Verrückten um keinen Schritt nähergekommen.
    Ich wollte gerade die Treppe emporsteigen, als ich innehielt, weil plötzlich einige Männer die Kapelle betraten.
    Es waren die Soldaten, die Cesare ins Kapitelhaus der Dominikaner geschickt hatte, und sie hatten Rocco gleich mitgebracht.

35
    Ich habe in meinem Leben oft Angst empfunden, sodass sie zu einer vertrauten Gefährtin wurde. Auch die Verzweiflung ist mir nicht fremd. Doch was ich auf Roccos Gesicht las, als er durch die Kapelle auf mich zueilte, gab mir das Gefühl, von einem Sturm erfasst zu werden, der uns alle in den Abgrund reißen wollte.
    »Ist es wahr, was die Soldaten sagen?«, fragte er atemlos. »Ist es wahr, dass Morozzi ein Kind entführt hat?«
    Er war so außer sich, dass Cesare sich unwillkürlich zwischen uns stellen und auf ihn losgehen wollte. Aber ich ließ es nicht zu. Ich packte Cesare am Arm und stemmte mich mit aller Macht gegen ihn.
    »Vielleicht, aber das wissen wir noch nicht«, sagte ich vorsichtig. »Was ist denn geschehen?«
    Rocco wollte etwas sagen, aber seine Stimme versagte ihm den Dienst. Letztlich stieß er nur ein Wort hervor.
    »Nando.«
    Ich erspare Euch den rest. Ich sage nur so viel, dass Rocco am Tag zuvor Nachricht von seiner Mutter erhielt, dass sein Sohn an einem Fluss ganz in der Nähe fischen wolle, aber noch immer nicht zurückgekehrt sei. Aus Angst, dass
Nando einen Unfall gehabt hatte, eilte Rocco auf der Stelle nach La Giustiana. Das Dorf, in dem Rocco geboren wurde und wo seine Mutter noch immer lebte, liegt ungefähr eine Stunde nördlich von Rom. Als die Suche ergebnislos blieb, kehrte Rocco sofort nach Rom zurück, um mich um Hilfe zu bitten. Da man ihn am Palazzo abwies, suchte er Bruder Guillaume im Kapitelhaus auf und beratschlagte gerade mit ihm, was zu tun sei, als Cesares Soldaten im Kloster vorsprachen.
    »Nando wird vermisst?« Mein armes Gehirn war gründlich ins Stolpern geraten, sodass ich nur diese Frage zustandebrachte.
    »Er ist ein guter Junge«, sagte Rocco. Tränen glitzerten in seinen Augen angesichts der Tragödie, die sich drohend abzeichnete. »Er würde niemals fortgehen, ohne Bescheid zu sagen. Irgendetwas muss passiert

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