Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
einen von uns erlöste.
Cesare erhob sich und streckte die Hand aus. Als ich sie ergriff und mich daran hochzog, fragte er zögernd:
»Alles in Ordnung?«
Falls sich Cesare Borgia tatsächlich um mein gebrochenes Herz sorgte, so war ich wirklich zu bedauern. Mein verletzter Stolz schmerzte ungeheuer, und in diesen Schmerz flüchtete ich mich nur allzu gern.
»Je weniger wir auffallen, desto besser«, antwortete ich. »Wir müssen in den Palazzo zurück.«
Ich musste wieder in mein Leben und zu meinem eigentlichen
Ich zurückkehren. Für den Moment war Morozzi vergessen, aber mein Vater war noch immer nicht gerächt. Und wichtiger noch: Das große Unheil, das er verhindern wollte, als er ermordet wurde, konnte jederzeit losbrechen, sollte Borgia die Papstwahl verlieren.
Cesares Soldaten formierten sich und bahnten uns einen Weg durch die dichte Menge. Nur noch wenige Menschen, die sich vor der Basilika versammelt hatten, würden in der Kirche Platz finden. Dennoch wollten Tausende dem Sitz der Macht nahe sein. Nach wie vor langten neue Gruppen auf dem Platz an, den wir soeben verließen. Doch wie es schien, waren wir nicht die Einzigen. Ein Trupp Soldaten stapfte an uns vorbei, in der Mitte ein älterer Mann im schwarzweißen Habit der Dominikaner. Trotz seines Alters schien er in großer Eile zu sein.
Cesare blieb abrupt stehen. Sein starrer Blick machte mich auf den alten Mann aufmerksam.
»Torquemada«, zischte er leise.
Fasziniert starrte ich den großgewachsenen, bleichen Mönch an, als er direkt an mir vorbeiging. Er hatte eine breite Nase und war kahl bis auf den Haarkranz über seinen buschigen Brauen. Seine Miene war so grimmig, dass er mir wahrscheinlich ohnehin aufgefallen wäre.
»Seid Ihr sicher?«
»Als Kind habe ich ihn einmal in Valencia gesehen. Mein Vater hat ihn mir gezeigt. Er sagte damals, dass nichts Gutes zu erwarten sei, wenn Ferdinand und Isabella immer nur die Juden für alles verantwortlich machten. Ich glaube nicht, dass mein Vater sich damals vorstellen konnte, wie tief die Majestäten noch sinken würden.«
Ich konnte nicht anders, ich musste die Gestalt anstarren, die so vielen unschuldigen Menschen Alpträume bereitete.
In diesem Moment wandte er den Kopf, und für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke. Ich würde Euch gern berichten, dass ich in das Gesicht des Bösen geschaut habe. Aber in Wahrheit ähnelte der Großinquisitor sehr vielen Männern, die der Heiligen Kirche dienten: ein mächtiger Bürokrat mit einer eigenen Vision vom Willen Gottes, für den das Leid seiner Mitmenschen ohne Belang war. Man sagt, dass der Teufel Hintertüren benutzt oder in Verkleidungen auftritt, doch Männer wie Torquemada scherten sich nicht darum. Mittlerweile ist er tot, und ich frage mich, wie warmherzig ihn sein dunkler Meister wohl in der Ewigkeit empfangen hat.
In der diesseitigen Welt hatte es der Großinquisitor jedenfalls sichtlich eilig, den Ort zu verlassen, wo das ersehnte Schauspiel nicht stattfinden würde. Ohne ein gekreuzigtes Kind als Beweis für die jüdische Schändlichkeit hatte Torquemada in Rom nur Misstrauen und Demütigungen zu erwarten. Vermutlich hat sich Morozzi heute einen neuen Feind geschaffen, überlegte ich. Falls Borgia die Papstwahl überlebte, konnte sich der Wahnsinnige nun nicht mehr nach Spanien flüchten und musste anderswo Schutz suchen, den er mit Gottes Hilfe nirgendwo fand.
Als wir den Vatikan verließen, begannen die Glocken zu läuten, und ihr schmerzlicher Klang verkündete aller Welt, dass die Beisetzung des Papstes begonnen hatte. Riesige Taubenschwärme erhoben sich in den Himmel und schienen für Augenblicke die Morgensonne zu verdunkeln.
Aber nein. Das war nicht möglich. Nur Poeten behaupten,
dass Vögel so etwas können. Es war die Dunkelheit in mir, die sich erhob und für kurze Zeit alles Licht und alle Hoffnung tilgte. Sollten die Wellen den Styx in Unruhe versetzen, so könnte ich mit in die Tiefe gerissen werden.
In Wirklichkeit hob Cesare mich auf sein Pferd, schwang sich hinter mir in den Sattel, und mit einem kurzen Einsatz der Sporen brachte er uns sicher über den Fluss zum Palazzo zurück.
Renaldo erwartete uns bereits.
»Wo seid ihr gewesen?« Der klagende Unterton war nicht zu überhören. »Seine Eminenz hat uns verständigt, dass der Patriarch von Venedig in Rom angekommen ist und das Konklave übermorgen beginnt. Es ist noch viel zu tun, und die Zeit ist mehr als knapp.«
Mir gefiel Renaldos
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