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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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berichtete ihm von der Begegnung mit Sofia Montefiore. Als ich geendet hatte, wiegte Rocco den Kopf hin und her.
    »Sie sagt, dass sie Euren Vater im Winter zuletzt gesehen hat. Aber Borgia glaubt, dass er erst kürzlich dort war?«
    Ich nickte.
    »Warum sonst hätte der Kardinal mich zu ihr geschickt? Außerdem interessieren ihn die Aufzeichnungen über die letzten Arbeiten meines Vaters.«
    »Glaubt Ihr, dass sie die Wahrheit sagt?«
    Genau das war mein Problem. Als ich so plötzlich vor ihr stand, schien Sofia nicht sonderlich überrascht. Eher hatte ich das Gefühl, als ob sie mich erwartet hätte.
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte ich gedehnt.
    Seufzend lehnte Rocco sich zurück. Er drehte den Stiel des Glases zwischen seinen großen Fingern, die vom jahrelangen Umgang mit Glas und Feuer gezeichnet waren. Unsere Blicke begegneten sich.
    »Die Juden machen im Augenblick schwere Zeiten durch. Sofia Montefiore sagt vielleicht nicht alles … außer Ihr überzeugt sie, dass sie Euch vertrauen kann.«
    Ich trank aus und schob mein Glas über den Tisch, und während Rocco neuen Wein eingoss, sah ich wieder die Bilder des Elends vor mir, sah das Leiden, die Not und die endlose Hoffnungslosigkeit des Ghettos, aus dem es nur einen einzigen Ausweg gab – den Tod.
    »Dann muss ich noch einmal ins Ghetto«, sagte ich.

6
    Mein Entschluss stand fest. Ich musste wissen, was Sofia mir verschwiegen hatte. Also kehrte ich am darauf folgenden Tag ins Ghetto zurück. Vittoro begleitete mich – außerdem trug er die Arzneien bei sich, die ich Sofia mitbrachte. Ich hätte Euch die Spende gern als Tat der Nächstenliebe verkauft, getreu dem Motto, dass wir unsere Nächsten so behandeln sollen, wie wir selbst behandelt werden wollen, doch in Wahrheit wollte ich die Apothekerin bestechen.
    Bestechung ist vielleicht ein zu hartes Wort. Vielleicht wollte ich sie auf diese Weise überreden und sie zum Reden bringen, um uns beiden eine Menge Schwierigkeiten zu ersparen. Doch zuvor musste ich mich durch das Elend des Ghettos kämpfen und die Via di Miseria finden, wo sich die Apotheke befand.
    Sofort, nachdem wir die Wache am Tor passiert hatten, hielten wir nach Benjamin Ausschau, entdeckten aber keine Spur von ihm. Besorgt fragte ich mich schon, ob er seine Diebereien womöglich in der Stadt fortsetzte, wo harte Strafen drohten. Doch wenige Schritte später tauchte er plötzlich grinsend hinter einem Abfallhaufen auf.
    »Alle Leute reden über euch«, begrüßte er uns.

    Vittoro brummte nur, doch ich rede nun einmal gern, wenn ich ängstlich bin.
    »Und was sagen sie?«
    Benjamin holte tief Luft, dass sich sein schmächtiger Brustkorb dehnte, und legte los.
    »Viele halten Euch für eine Hexe, Signorina. Aber andere meinen, dass man das noch nicht sagen kann. Auf jeden Fall halten Euch alle für eine Spionin des Kardinals und fragen sich, warum eine so hochgestellte Person uns ausspionieren möchte. Was Euch angeht …« Er deutete auf Vittoro. »Einige glauben, dass Ihr ein Soldat seid, aber die meisten halten Euch für einen Verwandten der Signorina.«
    Der Hauptmann hörte zwar, was der Junge sagte, aber er brummte nur erneut und setzte unbeirrt seinen Weg fort. Letztlich gelangten wir an unser Ziel. Alles war wie gestern, nur die Schlange vor der Apotheke war noch ein Stück länger geworden. Außerdem lagen einige verhüllte Gestalten am Straßenrand und warteten auf jemanden, der die Leichen aus dem Ghetto abholte. In der Stadt Rom wurden die Toten auf Kirchhöfen beerdigt. Außer in Zeiten einer Seuche bekamen sogar die Ärmsten ein richtiges Grab. Aber die toten Juden … Ich hatte keine Ahnung, was mit ihnen geschah.
    »Wir sollten nicht lange verweilen«, mahnte Vittoro, als Benjamin die Tür öffnete und wir eintraten.
    Diesmal machte ich mir nicht die Mühe, mein Gesicht zu verhüllen. Viele Menschen glauben, dass sich Krankheiten durch schlechte Luft verbreiten, aber ich bin nicht davon überzeugt. Zwar hätte ich mich gern vor dem durchdringenden Gestank geschützt, doch mit einem parfümierten
Tuch vor dem Gesicht hätte ich wohl kaum Sofias Vertrauen gewonnen.
    Wie die Dinge standen, konnte sie augenblicklich keine Sekunde für uns erübrigen. In einer Ecke des mit Kranken und Sterbenden überfüllten Raums lag eine junge Frau in den Wehen. Teilnahmslos, als ob sie nichts mehr spürte, lag sie rücklings auf einer schmalen Pritsche. Ihr Gesicht war aschfahl und vom Tod gezeichnet. Sofia kniete zwischen den

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