Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
kam und in Kardinal Borgias Dienste trat.«
»Das muss demnach kurz vor dem Tod Eures Mannes gewesen sein.« Mein Vater hatte dem Kardinal zehn Jahre lang gedient, also hatten Sofias Mann und er nur wenig Zeit miteinander verbracht, bevor dieser starb.
»Das ist richtig«, bestätigte Sofia. »Als mein Mann starb, hat Giovanni mich aufgesucht und mir sein Beileid bekundet. Nachdem ich Aarons Arbeit übernommen hatte, haben wir uns hin und wieder gesehen.«
»Ihr wurdet selbst Apothekerin?«, fragte ich erstaunt. Ich hatte zwar schon von einigen Frauen in Handwerksgilden wie Färber oder Brauer gehört, die als Witwen erfolgreich das Gewerbe ihres Mannes fortführten, aber sie hatten meistens mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen und übten das Gewerbe nur so lange aus, bis ihre Söhne alt genug waren, um das Geschäft zu übernehmen. Juden war der Zutritt zu den Gilden natürlich nicht gestattet, doch sicherlich hatten sie ihre eigenen Regeln.
»Genau«, bestätigte Sofia mit einem leisen Lächeln. »Ihr habt doch nichts gegen eine Frau in einem Männerberuf einzuwenden, nicht wahr?«
Aus der Art, wie sie fragte, schloss ich, dass sie von meiner Beförderung im Hause Borgia erfahren hatte. Was in
Anbetracht der römischen Klatschsucht auch nicht weiter verwunderlich war.
»Aber ganz und gar nicht«, antwortete ich. »Was Ihr tut, ist allein Eure Sache. Ich möchte lediglich wissen, welche Verbindung Ihr in den letzten Monaten zu meinem Vater hattet, was er Euch gesagt und was er Euch womöglich anvertraut hat.«
Die ältere Frau schien zuerst verunsichert, aber dann schüttelte sie den Kopf.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Ihr sprecht. Es war noch Winter, als ich Euren Vater zum letzten Mal gesehen habe.«
Meine Haltung versteifte sich. Wollte Sofia Montefiore mir vielleicht weismachen, dass Borgia mich aufs Geratewohl zu dieser Adresse geschickt hatte? Da der Kardinal über das beste Spionagenetz in Rom, im Vatikan und weit darüber hinaus verfügte, war ein solcher Irrtum höchst unwahrscheinlich.
»Ich halte es für einen Fehler, das Interesse des Kardinals in dieser Sache zu unterschätzen«, sagte ich vollkommen ruhig.
»Das käme mir nie in den Sinn«, versicherte Sofia mit sanfter Stimme. »Doch jetzt müsst Ihr mich entschuldigen. Ich muss mich wieder meinen Patienten widmen.«
Da uns keine Wahl blieb, verließen Vittoro und ich die Apotheke durch die Hintertür. Wir folgten einer engen Gasse, von wo aus wir eine größere Straße erreichten. Von da aus war es nicht mehr weit bis zu dem Tor, das in die Stadt führte. Ich war sehr erleichtert, dass wir das Ghetto endlich hinter uns lassen konnten. Auf die elende Lage der
Juden hatte mich niemand vorbereitet, und noch auf dem Rückweg in die Stadt verfolgten mich die trostlosen Bilder.
Da ich mich elend fühlte und außerdem dem Kardinal keine Neuigkeiten mitzuteilen hatte, überredete ich Vittoro, mich nur bis zu Roccos Glasbläserei am Campo zu begleiten. Der Hauptmann nahm mir das Versprechen ab, dass ich keinesfalls ohne den Wachmann, den er mir schicken wollte, zum Palazzo zurückkehrte.
Ihr fragt Euch vermutlich, warum ich wieder den Glasbläser aufsuchte. Um ehrlich zu sein, war ich vollkommen verloren und wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte. Trotz aller guten Vorsätze war mein erster Auftrag für den Kardinal gescheitert. Weder hatte ich erfahren, woran mein Vater gearbeitet hatte, noch hatte ich irgendwelche Aufzeichnungen entdeckt. Da Sofia Montefiore behauptete, nichts von alledem zu wissen, war Rocco meine letzte Hoffnung.
Er arbeitete gerade am Ofen im Hof und bemerkte mein Kommen nicht. So konnte ich ungestört zusehen, während er mit dem langen Blasrohr hantierte, als ob es leicht wie eine Feder sei. Alle Muskeln auf dem nackten Rücken zogen sich zusammen, als er einen geschmolzenen Sandklumpen allein durch seine Atemluft in eine schimmernde Glasblase mit roten und azurblauen Streifen verwandelte.
Laut Plinius dem Älteren, haben die Phönizier die Kunst der Glasherstellung entdeckt. Andere dagegen behaupten, dass diese Kunst schon früher bekannt gewesen sei. Die Mauren in Andalusien verfeinerten die Technik und stellten Gefäße von verblüffender Reinheit her. Es war jedoch den Venezianern vorbehalten, Glas von solch atemberaubender
Schönheit zu kreieren, die an den Atemhauch der Engel erinnerte. Rocco war ein wahrer Meister dieser Kunst – und nur deswegen und aus keinem anderen Grund sah ich ihm so
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