Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
gern bei der Arbeit zu.
Ich verhielt mich still, um Rocco nicht zu erschrecken, und wartete, bis er den hergestellten Kelch mit einem Schnitt vom Blasrohr trennte und zum Auskühlen auf ein Regal stellte. Erst dann trat ich lächelnd auf ihn zu.
Als er mich erblickte, hatte er einen Augenblick lang einen offenen Gesichtsausdruck. Ich sah … ja, was genau eigentlich? Überraschung natürlich, denn er hatte nicht erwartet, mich so bald wiederzusehen. Aber ich sah noch etwas anderes. Einen Anflug von verhaltener Freude vielleicht? Oder war es nur der Widerschein der Sonnenflecken, die durch das Blätterdach in den Hof fielen? Jedenfalls gab es keinen Grund für das warme Gefühl, das mich plötzlich durchströmte und mich erröten ließ.
»Ich brauche Euren Rat«, sagte ich ohne Umschweife und war sehr erleichtert, als Rocco nur wortlos nickte und seine Werkzeuge beiseite legte.
Wir setzten uns wieder an den Tisch gleich neben der Tür zum Hof. Nando spielte auf der Straße mit seinen Freunden, sodass wir für den Moment ungestört waren. In kurzen Worten berichtete ich, was am Tag zuvor geschehen war. Den Überfall erwähnte ich mit keinem Wort, doch ich merkte, wie Rocco die Brauen runzelte, als ich mit einer unbedachten Bewegung das Haar zur Seite strich und die Beule auf meiner Stirn kurz zu sehen war.
»Ist mit Euch alles in Ordnung?«, fragte er.
»Aber ja, es geht mir gut.« Doch sein forschender Blick
verunsicherte mich, sodass ich schnell auf den Grund meines Besuchs zu sprechen kam.
»Wisst Ihr, woran mein Vater zur Zeit seiner Ermordung gearbeitet hat?«
»Nein, keine Ahnung. Warum fragt Ihr?«
»Diese Frage ist aufgetaucht«, antwortete ich vorsichtig. »Und ich bin auf der Suche nach Antworten.«
»Im Auftrag von Borgia? Hat er diese Frage gestellt?«
»Nun, das war doch vorauszusehen, oder nicht? Wer sonst sollte mir einen solchen Auftrag geben?«
Meine Stimme klang schroffer, als ich beabsichtigt hatte, aber Rocco schien es mir nicht übelzunehmen. Er lehnte sich zurück und sah mich lange an.
»Vor wenigen Monaten habe ich allerlei Gefäße für Euren Vater hergestellt. Und zwar von derselben Art, wie Ihr sie gestern bestellt habt und wie sie für vielerlei Zwecke benutzt werden.«
»Er hat nicht gesagt, wofür er sie benötigte?«
Der Glasbläser zögerte einen Moment.
»Giovanni war stets verschwiegen und sprach immer nur ganz allgemein über seine Arbeit.«
»Hat er sich nie genauer geäußert? Vielleicht in Gesellschaft vertrauter Freunde?«
Wenn ich darauf gehofft hatte, Rocco auf solch plumpe Art Äußerungen über LUX zu entlocken, so wurde ich enttäuscht. Er zuckte nur die Schultern.
»Ich würde Euch helfen, wenn ich könnte, Francesca. Aber ich weiß wirklich nicht, woran Euer Vater gearbeitet hat. Und wenn es selbst der Kardinal nicht weiß, so hatte Giovanni vielleicht gute Gründe, es für sich zu behalten.«
»Vielleicht weiß Seine Eminenz doch etwas«, gestand ich, da ich nach dem erneuten Fehlschlag fast nichts mehr zu verlieren hatte. »Vielleicht auch nicht. Er will vor allem wissen, ob mein Vater irgendwelche Aufzeichnungen hinterlassen hat.«
In kurzen Worten berichtete ich ihm von dem Auftrag, den Borgia mir erteilt hatte. »Wart Ihr jemals im Ghetto?«, fragte ich, nachdem ich geendet hatte.
»Hin und wieder. Ich habe einige Kunden dort, oder besser gesagt, ich hatte sie, bevor die Schwierigkeiten anfingen.«
»Sprecht Ihr von den vielen Flüchtlingen?«
Rocco nickte.
»Ich habe gehört, dass es täglich mehr werden und die Lage immer schlimmer wird.«
»Und es ist kein Ende abzusehen. Nur noch ein guter Monat – dann werden alle Juden getötet, die sich noch in Spanien aufhalten.«
»Die Spanier sind verrückt geworden.«
»Mag sein, aber deswegen möchte trotzdem niemand die Juden hier in Rom haben. Die Lebensbedingungen im Ghetto sind einfach grauenhaft.«
Irgendetwas in meiner Stimme musste meine seelische Not offenbart haben. Wortlos stand Rocco auf und ging zum Schrank, wo er zwei Gläser Wein eingoss. Dann kam er zurück und stellte eines vor mich hin.
»Trinkt erst, bevor Ihr weitersprecht.«
Dankbar befolgte ich seinen Rat. Der Wein fuhr heftig in meinen leeren Magen, doch gleichzeitig schuf er einen Abstand zwischen mir und der Wirklichkeit, die ich im jüdischen Viertel erblickt hatte.
»Wusstet Ihr, dass mein Vater manchmal dort war?«
»Im Ghetto?«
»Er kannte dort eine Frau. Eine Apothekerin.«
»Und woher wisst Ihr das?«
Ich
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