Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
päpstliches Amt bekleidet. Ich weiß nicht, welche Pflichten damit verbunden waren, und vermutlich wusste es Cesare genauso wenig. Mit sechzehn wurde er Bischof von Pamplona mit allen
Einkünften, die zu diesem Amt gehören, und mit siebzehn erster Metropolitan-Erzbischof der neuen Kirchenprovinz von Valencia. Dass er nicht einmal die heiligen Gelübde abgelegt hatte, wurde großzügig übergangen.
Der Kardinal bestand jedoch darauf, dass Cesare die Gelübde noch ablegte, damit er zu gegebener Zeit Kardinal werden und seinem Vater womöglich als Papst nachfolgen konnte. Dass Cesare seine Zukunft völlig anders sah, hatte für seinen Vater keine Bedeutung.
Cesare war nach Rom gekommen, weil er seinem Vater klarmachen wollte, dass ihm eine militärische Karriere vorschwebte, und wenn man dem Gerede in der Küche glauben konnte, so hatten Vater und Sohn heftig gestritten. Cesare war wütend aus dem Palazzo gestürmt und Stunden später ziemlich betrunken heimgekehrt. Irgendwie hatte er den Weg in die Bibliothek gefunden.
Wo ich saß und las. Ihr müsst Euch das so vorstellen: ein jungfräuliches Mädchen, eingesperrt im Elfenbeinturm, in dem ich, wenn auch mit Bedauern, fest entschlossen zu bleiben gedachte. Und dann stellt Euch Cesare vor, wild und dunkel, der nach Wein und Leder roch und die weite Welt in mein jungfräuliches Kämmerchen brachte.
Was soll ich Euch sagen? Alles? Wie er sich mir mit einem Lächeln in seinen feurigen Augen genähert hat? Wie ich fliehen wollte, mich aber nicht einmal aus dem Sessel erheben konnte? Wie er vor mir auf die Knie fiel, wie seine starken, warmen Hände meinen Rock nach oben schoben, meine Haut streichelten und in meinen heißen Körper eintauchten …
Wie ich in seinen Armen verging …
Wie er mich anlächelte, sagte, dass ich wunderschön sei, ein kostbares Mädchen, und wie er Lobeshymnen auf meine Reize sang, während er in mich hineinglitt? Ja, glitt. So viel zu dem üblichen Gerede von Schmerzen, wovon Dienstmädchen stets mit dramatisch verdrehten Augen berichteten.
Wie die Welt im Licht der Entdeckung, die ich soeben gemacht hatte, völlig verändert schien, während er mein Haar streichelte und mir Zärtlichkeiten zuflüsterte? Im Gegensatz zu meinen Befürchtungen schlossen mich die dunklen Künste doch nicht von jeder menschlichen Nähe aus. Ich musste mich nur auf Begegnungen wie diese beschränken, auf rein körperliche Erlebnisse, und durfte mich weder um die Bedürfnisse meines Herzens noch darum kümmern, was im Herzen des anderen vorging. Verachtet mich, wenn Ihr wollt, dass mir die zärtlichen Gefühle einer Frau abgingen, aber ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich sie mir nicht leisten konnte.
»Lasst uns lieber von wichtigeren Dingen sprechen«, bat ich Lucrezia.
Ich wusste, dass ich sie damit neugierig machte. Mit einem Wink entließ sie den Diener, der hinter ihrem Stuhl bereitstand.
»Wollt Ihr das wirklich? Hier will keiner mit mir über wichtige Dinge sprechen. Ich bin doch nur ein Mädchen und interessiere mich angeblich für gar nichts.«
»Wir beide wissen, dass das Gegenteil richtig ist.« Und das war keineswegs als Schmeichelei gemeint. Lucrezia war mindestens so klug wie die Männer in ihrer Familie. »Außerdem werdet Ihr bald heiraten, und eine verheiratete
Frau muss sich mit wichtigen Dingen beschäftigen. Ganz gleich, was Männer davon halten.«
Das Thema ihrer Vermählung heiterte sie für gewöhnlich auf, doch heute seufzte sie nur.
»Falls mein Vater nicht Papst wird, wird er wohl nie einen Mann für mich finden, der ihm gefällt. Doch falls er Papst wird, geht die Sache vermutlich genauso aus.«
Ich war verblüfft, mit welcher Offenheit die einzige Tochter des Kardinals die ehrgeizigen Pläne ihres Vaters enthüllte. Aber das Thema führte genau in die gewünschte Richtung.
»Falls es Gott gefällt, Il Cardinale auf den Thron des heiligen Petrus zu rufen, ist das ein Segen für uns alle«, sagte ich. Doch ich beließ es nicht bei dieser angemessenen Äußerung. »Allerdings ist es erschreckend, wenn man die Bürde der Verantwortung betrachtet, die auf dem Heiligen Vater lastet.«
Bevor Lucrezia antwortete, suchte sie sich eine Erdbeere aus und verspeiste sie andächtig.
»Ich denke, dass mein lieber papà deshalb auch ziemlich durcheinander ist.«
»Ist er das?«, entgegnete ich und hoffte, das richtige Maß an Interesse gezeigt zu haben, ohne neugierig zu wirken.
Sie nickte.
»Giulia sagt, dass er nur
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