Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
»Aber ich habe das Haus nicht ohne Begleitung verlassen, und darum geht es doch, oder nicht?«
Der Hauptmann seufzte ergeben.
»Ihr wisst sehr wohl, dass nur das zählt, was der Kardinal sagt, Francesca. Ich schlage vor, dass Ihr ihn heute nicht noch einmal enttäuscht.«
Eigentlich sollte ich für solche Ratschläge dankbar sein,
doch ich war so durcheinander. In diesem Zustand, der zum Glück Seltenheitswert hat, hilft Arbeit am besten.
Also stürzte ich mich in meine täglichen Pflichten, prüfte die Vorräte und die gesiegelten Waren und beobachtete die Dienerschaft bei der Arbeit. War einer von ihnen besonders nervös oder ungewöhnlich selbstbewusst? Gab es Abweichungen im Tagesablauf? Oder auch noch so kleine Anzeichen für irgendwelche Bestrebungen, die gegen den Kardinal gerichtet sein konnten?
Während ich meine Arbeit tat, hielten Wachen innerhalb und außerhalb des Palazzo die Augen auf. Und überall in der Stadt, auf den Märkten, in den Bordellen und Lagerhäusern, ja selbst im Vatikan waren unzählige Spione unterwegs und sammelten Neuigkeiten und Gerüchte, die sich für Borgia als nützlich erweisen konnten. Und all das diente nur einem einzigen Ziel: dem Erhalt und dem Fortkommen der Familie. La famiglia .
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass es außer dieser Familie auch noch andere mächtige Häuser gab, die ebenfalls nicht die Hände in den Schoß legten. Allianzen wurden geschlossen und schnell wieder gelöst, so wie der Nebel abends über dem Tiber aufsteigt, um sich in der Morgensonne aufzulösen. Heute Freund, morgen Feind. Rom und die gesamte Christenheit wurden zwischen zwei großen Strömungen hin- und hergerissen. Auf der einen Seite die alte Forderung, sich Gott und der Tradition zu beugen, auf der anderen das Bestreben, den Kopf zu heben und das Licht des Wandels zu erkennen, was manche als Wiedergeburt oder gar Gottlosigkeit bezeichneten. Solche Herausforderungen ihrer Autorität erfüllte die irdischen Herrscher
mit blankem Entsetzen und förderte das Bestreben, solche Entwicklungen schon im Keim zu ersticken. Bisher jedenfalls hatten sie keinen Erfolg, aber der Kampf ging weiter.
Ich musste darin meine eigene Rolle spielen. Während die Priester ihre Gesänge zur Sext anstimmten, zog ich mich in meine Räume zurück und versuchte, mich der entsetzlichen Frage zu stellen, die ich nicht länger aufschieben konnte: Falls mein Vater tatsächlich versucht haben sollte, Papst Innozenz VIII. zu töten, was ich inzwischen glaubte, so fragte ich mich, wie er das hatte bewerkstelligen wollen. Nach Sofias Angaben hatte er nach einem Mittel geforscht, das glauben machen soll, dass jemand auf natürliche Art und Weise gestorben ist. Ich hatte allerdings keine Vorstellung, wie man zu solch einem Ergebnis kam.
Natürlich sind einige Gifte in der Wirkung heikler als andere. Das altbekannte Arsen zum Beispiel ist sehr beliebt. Die Symptome können mit denen der Malaria verwechselt werden, aber in unseren unruhigen Zeiten würde jeder in einem so wichtigen Fall sofort einen Giftanschlag vermuten. Eisenhut dagegen enthält eine nützliche Substanz, die aber in der richtigen Dosierung das Herz stillstehen lässt. Ebenso wirkt der Fingerhut trotz seiner hübschen Blüten, aber auch in diesen Fällen lässt sich eine Vergiftung sofort erkennen. Eine Vergiftung mit Schierling, der Sokrates den Tod brachte, ist zwar äußerst wirkungsvoll, aber nicht zu verheimlichen, da sie zu Lähmungen und schrecklichen Schmerzen und schließlich zum Tod führt. Belladonna, mit dem leichtsinnige Frauen ihre Augen zum Leuchten bringen, führt zu heftigem Herzklopfen und Verwirrtheit, bevor die fatale Wirkung eintritt.
Seht Ihr das Problem? Wenn man jemanden töten will, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Aber zu töten, ohne Verdacht zu erregen, ist etwas ganz anderes. Ich könnte weiter fortfahren, aber ich fürchte, ich verrate zu viel. Gott möge verhüten, dass ich Euch eine Anleitung zur Sünde gebe.
Ich will damit nur Folgendes sagen: Falls der Verdacht aufkäme, dass der Tod des Papstes keine natürliche Ursache hätte, so geriete Borgia dank seines Rufs augenblicklich unter Verdacht. Er war in einem Alter, in dem die nächste Papstwahl für ihn vermutlich die letzte war. Außerdem waren seine Mitbewerber ebenso mächtig wie er. Ganz gleich, welche Reichtümer Borgia ihnen für ihre Unterstützung auch bieten würde – es gab eine Grenze, die niemand überschritt. Und einen Papst zu töten,
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