Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
war das schlimmste, dunkelste Ende auf der anderen Seite.
Es überstieg meine Vorstellungskraft. Ich versuchte es, aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was mein Vater getan hatte – vorausgesetzt, dass die letzte Erkrankung von Innozenz damit in Zusammenhang stand. Die Möglichkeit, dass es sich um einen Zufall handelte, war nicht völlig von der Hand zu weisen.
Was mir Borgias Forderungen allerdings nicht ersparte. Kurz nach der Non war es so weit. Selbst wenn Seine Eminenz das Haus nur für wenige Stunden verließ, nahm der gesamte Haushalt davon Kenntnis. Sobald die ersten Rufe seiner Begleiter die Ankunft meldeten, stand alles Kopf. Ich mischte mich unter die anderen, um zu sehen, welcher Stimmung Borgia war. Er schien schlechter Laune. Unter lautem Hufeklappern und mit rasselndem Geschirr ritt er
an den Wachen vorbei, die ihm salutierten, indem sie mit den Waffen auf die Schilde schlugen. Im Hof sprang er vom Pferd, warf die Zügel einem Stallknecht zu und stampfte in seine Gemächer hinauf, ohne die leise tuschelnden Höflinge und Gefolgsleute eines Blickes zu würdigen.
Kurz darauf wurde ich gerufen. Als ich das Gemach betrat, nahm man dem Kardinal noch die schweren Gewänder ab. Ich blieb an der Tür stehen und starrte auf einen unbestimmten Punkt, bis er ordentlich gekleidet war. Nachdem er sich ein feuchtes, kaltes Tuch auf den Nacken hatte legen lassen, gab er seinem Diener ein Zeichen, sich zu entfernen.
»Ihr habt die Jüdin besucht«, brummte er in meine Richtung.
Das war keine Frage, und ich fasste sie auch nicht als solche auf. Ich nickte.
»Wie befohlen, Eminenz.«
Borgia nahm einen langen Zug aus einem Kelch mit gekühltem Wein und nickte.
»Was hat sie gesagt?«
Wir waren nicht allein, also schwieg ich. Außer mir befand sich noch ein Sekretär im Zimmer, außerdem der Verwalter, ein Diener und vermutlich noch mehrere Personen, die ich nicht sehen konnte. Männer wie Borgia sahen nur die Sache, aber die Menschen dahinter nahmen sie nicht wahr. Mein Schweigen machte deutlich, dass ich mir der Anwesenden bewusst war.
Der Kardinal winkte erneut, und wie durch Zauberhand verschwanden sie – so schnell, wie Regentropfen auf heißen Pflastersteinen verdunsten.
»Und?«, fragte Borgia.
»Es gibt keine Aufzeichnungen. Ich bin sicher, dass mein Vater schon seit Monaten nichts mehr zu Papier gebracht hat.«
Der Kardinal nickte nur kurz.
»Was hat sie sonst noch gesagt?«
Ich hatte lange und gewissenhaft überlegt, was ich sagen sollte. Fragt nicht, warum ich mich entschieden hatte, Sofia Montefiore zu schützen. Ich wusste es nicht. Womöglich nur, weil sie eine Freundin meines Vaters war.
»Sie sagte, dass Seine Heiligkeit angeblich ein Edikt vorbereitet, wonach die Juden aus der gesamten Christenheit vertrieben werden sollen. Sollte das nicht gelingen, fordert er ihren Tod.«
Ich hatte nicht erwartet, Borgia damit zu überraschen, und so war ich nicht enttäuscht, als der Kardinal erneut nickte.
»Sonst noch etwas?«
»Das war alles.« Um die lange Zeit zu rechtfertigen, die ich mit Sofia allein gewesen war, fügte ich hinzu: »Wie Ihr Euch vorstellen könnt, war Signora Montefiore sehr aufgeregt und hat immer wieder davon angefangen.«
»Aber sie hat Euch nicht gesagt, was Euer Vater getan hat, woran er gearbeitet hat?«
»Es tut mir leid, Eminenz, aber über die Arbeit meines Vaters weiß sie überhaupt nichts. Das ist mir klar geworden. « Das war natürlich eine Lüge. Sofia wusste genau, wonach mein Vater gesucht hatte. Sie war eine kluge Frau. Es fiel ihr nicht schwer, dieselben Schlüsse zu ziehen wie ich. Doch wenn ich dem Kardinal auch nur ein Wort sagte, würde er Sofia als Bedrohung ansehen und befürchten, dass
sie ihn beschuldigen könnte, den Mord an einem Papst zu planen. Er könnte sie einfach verschwinden lassen.
Borgia wirkte … unzufrieden, aber in gewisser Weise auch erleichtert, dass seine dunklen Geheimnisse gewahrt waren.
Ich kam Borgia zuvor und ergriff das Wort. »Ich frage mich nur, wie mein Vater von dem Edikt erfahren hat, Eminenz. « Mit Sicherheit hatte kein Vertrauter des Papstes ausgerechnet mit dem Giftkundigen eines der größten Rivalen um die Papstkrone darüber gesprochen.
Ich muss anerkennend bemerken, dass der Kardinal nicht eine Sekunde zögerte.
»Ich habe es ihm gesagt.«
»Darf ich fragen, weshalb?«
Borgia lehnte sich zurück, streckte die Beine von sich und sah mich fast gütig an. Ich sage fast, weil nichts
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