Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
üblichen finsteren Blick. Phillips Kopfbedeckung saß etwas kecker, doch auch er wirkte außergewöhnlich ernst.
Lizzie lief zu ihnen hin und drückte Henry ihren Schläger in die Hand. »Henry, tu mir einen Gefallen und spiel mit Miss Smallwood weiter. Ich muss Phillip etwas fragen.«
Emma war gekränkt und verlegen zugleich. Schließlich hatte Lizzie sie um das Spiel gebeten und jetzt ließ sie sie einfach stehen? Ja, schlimmer noch, sie überließ sie Henry Weston? Dem würde die Vorstellung, ein Spiel – welches auch immer! – mit ihr zu spielen, überhaupt nicht gefallen. Er hatte sich früher zwar geradezu einen Sport daraus gemacht, sich über sie lustig zu machen, aber ganz bestimmt hatte er keine Lust auf einen echten sportlichen Wettkampf mit ihr. Und sie umgekehrt ebenso wenig. Ein grässlicher Gedanke, gegen diesen athletischen Tausendsassa antreten zu müssen.
Henry blickte auf den Federballschläger in seiner Hand, als wäre ihm völlig schleierhaft, wie er plötzlich an dieses Utensil geraten war. Dann wandte er den Kopf nach Lizzie, die Phillips Arm genommen hatte und ihn beinahe mit Gewalt fortzog.
Phillip warf ihnen noch ein Blick über die Schulter zu und zuckte verlegen die Achseln.
Lizzie sagte laut genug, dass alle Anwesenden sie hören konnten: »Ich habe Lady Weston schon wieder verärgert. Du musst mir helfen. Du weißt immer, womit man sie besänftigen kann.«
Emma fragte sich, ob das wirklich der Grund war, warum Lizzie mit Phillip sprechen wollte. Sie hatte gar nichts darüber gesagt, dass Lady Weston böse mit ihr war.
Henry blickte von dem Schläger auf Emma und kam dann langsam auf sie zu.
»Sie brauchen nicht zu spielen, Mr Weston«, sagte Emma. »Ich bin ohnehin nur Lizzie zuliebe mitgekommen, deshalb …«
»Ach, kommen Sie schon, Miss Smallwood. Erzählen Sie mir nicht, dass Sie noch immer jede Art von körperlicher Betätigung meiden so wie als Mädchen.« Ein spöttisches Leuchten erschien in seinen Augen. »Oder haben Sie Angst, dass Sie verlieren?«
Emma schnaubte. »Ich habe keine Angst zu verlieren. Ich weiß , dass ich verliere. Wir spielen schließlich nicht Schach.«
Eine Braue hob sich. »Ah, so! Ein Blattschuss. Die Lady erinnert sich, wie sie mich regelmäßig geschlagen hat! Dann müssen Sie mir auch die Chance auf Revanche geben.« Er legte seinen Hut beiseite und nahm die Ausgangshaltung an, wobei er ganz leicht von einem Fuß auf den anderen wippte. Plötzlich sah er wieder aus wie fünfzehn.
Emma spürte, wie ein Lächeln ihre Mundwinkel kräuselte. »Von mir aus gern. Aber versprechen Sie mir, nicht zu laut zu lachen!«
»Ich verspreche es.«
Sie brachte den Ball in Position, konzentrierte sich und schwang den Schläger. Mit einem satten, befriedigenden Klack stieg der Ball in einem anmutigen Bogen in die Luft. Henry sprang ihm entgegen und schlug ihn zurück. Emma trat einen Schritt nach hinten, hob ihren Schläger und – Wunder über Wunder – traf den Ball mit einem hohlen Laut. Er flog zurück, Henry lief vorwärts, tippte ihn leicht an und brachte ihn auf die Flugbahn zu ihr zurück. Er flog so langsam, dass Emma Zeit hatte, die Entfernung abzuschätzen und zu reagieren. Es war sehr viel einfacher als bei einem schnellen Ball. Sie traf ihn wieder, diesmal hart, und da Henry nach vorn gelaufen war, um ihren letzten Schlag zu parieren, musste er jetzt rasch wieder zurückweichen. Sie dachte – hoffte, dass er ihn verfehlte, doch der Mann hatte die Flügelspannweite eines Albatros. Er beugte sich weit zurück, noch weiter, und schlug den Ball hoch über seinen Kopf. Emma war entschlossen, diesmal nicht zu zögern oder der Sonne wegen zu blinzeln. Sie würde sich vor diesem Mann keine Blöße geben, wenn sie es irgend vermeiden konnte.
Die Augen fest auf den Ball geheftet, rannte sie vorwärts, hob ihren Schläger und schmetterte ihn gegen Henry Westons Brust.
Auf diese Weise jäh gebremst, verlor sie das Gleichgewicht und wäre hingefallen, wenn Mr Weston nicht die Arme ausgestreckt und sie um Taille und Schulter gepackt hätte.
»Oh«, schrie sie, beschämt, weil sie ihn getroffen hatte, und verlegen, weil sie in seinen Armen lag.
Und noch verlegener, weil sie feststellte, dass es ihr gefiel.
»Es tut mir so leid!« Errötend stieß sie ihn weg.
»Das braucht es nicht. Ich bewundere Ihre Konzentrationsfähigkeit. Du meine Güte, Miss Smallwood, wo ist das furchtsame kleine Geschöpf, das bei jedem vorüberfliegenden Vögelchen
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