Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
dafür zu sorgen, dass Adam nicht in ein Asyl für Geisteskranke oder in ein Arbeitshaus kam.
Also machte ich mich auf den Weg, um sicherzustellen, dass das nicht geschah. Ein Mann mit einer Mission. Ich nahm sogar einen befreundeten Arzt mit – worüber ich sehr froh war, denn als wir eintrafen, war Mrs Hobbes bereits verstorben und wir mussten Adam sedieren, um ihn nach ihrer Beerdigung mitnehmen zu können.
Ich brachte ihn nach Hause nach Ebbington. Ich wollte ihm sein altes Zimmer geben und eine Schwester für ihn einstellen, doch Lady Weston bestand darauf, dass er fern von der Familie im wenig benutzten Nordflügel untergebracht wurde. Sie wollte ihn sogar einschließen, aber ich war dagegen. Schließlich gab sie in diesem Punkt nach, bestand jedoch darauf, dass wir eine andere Unterkunft für ihn finden müssten und er keinen Tag länger als nötig auf Ebbington Manor verbringen würde. Und so überließ ich Adam der Obhutvon Mrs Prowse und war für ein paar Tage unterwegs, um den Haushalt der Hobbes aufzulösen und ein anderes Zuhause für Adam bei einem freundlichen Paar zu finden. Leider vergebens. Als ich zurückkehrte, sah ich zu meiner Überraschung, dass Sie und Ihr Vater gekommen waren – worüber meine Stiefmutter ebenfalls nicht sehr erfreut war.«
»Aus dieser Tatsache hat sie kein Geheimnis gemacht«, sagte Miss Smallwood. »Aber jetzt weiß ich wenigstens, warum.«
Henry seufzte. »Ich habe meinem Vater vorgeworfen, er sei ungerecht und kaltherzig, aber ich weiß, dass er nur tat, was die meisten Angehörigen der Oberschicht in seiner Lage tun würden. Es gibt keine Einrichtungen für Menschen wie Adam. Irrenhaus, Arbeitshaus oder Armenhaus ist das Schicksal, das sie erwartet. Wir können froh sein, dass es Adam erspart blieb.«
»Ja.« Miss Smallwood nickte. Sie schien in Gedanken versunken. Schließlich sagte sie: »Ich muss immer wieder an die offenen Fenster in seinem Zimmer denken, in der Nacht, als der Sturm war. Mrs Prowse hätte sie doch wohl kaum offen gelassen.«
Henry stimmte ihr zu. »Ich habe auch schon darüber nachgedacht.«
Sie blinzelte konzentriert. »Wer immer es war, konnte nicht wissen, wie Adam darauf reagieren würde – dass er einen Anfall bekommen würde.«
Henry runzelte die Stirn. »Oder vielleicht doch. Vielleicht hat er es aus genau diesem Grund getan.«
»Aber warum?«
»Vielleicht, um die Penberthys abzuschrecken.«
»Aber wer würde das tun wollen?«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Da kann ich mir leider mehrere Möglichkeiten denken.«
Miss Smallwood nickte. »Ich auch.«
16
Durch Neugier kam die Katze ums Leben.
Shakespeare
Emma, die sehr bedauerte, dass ihre erste Begegnung mit Adam Weston eine so unglückselige gewesen war, beschloss, sich ein weiteres Mal in den Nordflügel zu wagen, diesmal bei Tageslicht. Sie wollte ihm so etwas wie einen Ölzweig bringen, ein Zeichen ihrer Freundschaft und nahm, einfach aus einem Gefühl heraus, eine Dose mit elfenbeinfarbenen Dominosteinen und Ebenholz-Würfeln aus dem Schulzimmer mit.
Sie dachte, dass er vielleicht ein Spiel mit ihr – oder notfalls auch allein – spielen würde. Sie hatte wenig Möglichkeiten zur Zerstreuung in seinem Zimmer gesehen; aber sie hatte natürlich nicht in die Schubladen und in den Schrank geschaut.
Sie ging zum Ende des Nordflügels und klopfte leise an seine Tür. Ein Geräusch, das von drinnen zu vernehmen war, verstummte plötzlich. War es ein Schaukelstuhl gewesen? Die Tür ging ein paar Zentimeter weit auf und die Haushälterin, Mrs Prowse, erschien. Emma wurde bewusst, dass sie die Frau seit ihrem Eintreffen auf Ebbington Manor kaum zu Gesicht bekommen hatte. Jetzt wusste sie, warum.
»Ah … Miss Smallwood. Woher wussten Sie, wo ich mich aufhalte? Sie dürften nicht hier sein.«
»Es ist schon in Ordnung, Mrs Prowse. Ich weiß Bescheid über Adam.«
Ihre Augenbrauen hoben sich. »Ach ja? Dann kommen Sie doch herein.« Sie hielt Emma die Tür auf und schloss sie dann leise hinter ihr.
Adam saß in einem Armsessel am Fenster. Emma war angenehm überrascht, dass er in einem Buch las. Er blickte ängstlich auf, als sie eintrat, doch nachdem er sich anscheinend versichert hatte, dass sie ihm nichts tun würde, las er weiter.
Emma erklärte Mrs Prowse ruhig, was während des Sturms vorgefallen war, wie sie Adams Schreie gehört hatte und gekommen war, um nachzusehen, was los war.
Die Haushälterin nickte; ihre Mundwinkel waren nach unten gezogen. »Ja,
Weitere Kostenlose Bücher