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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Lieber. Erbsen.« Zu Henry sagte sie: »Ehrlich gesagt, glaube ich, es würde ihn bloß aufregen.«
    Henry seufzte. »Vermutlich haben Sie recht. Trotzdem, ich hasse den Gedanken, dass er hier den ganzen Tag eingesperrt ist, ganz allein, bis auf Sie und mich.«
    »Und einen gelegentlichen Besuch von Miss Smallwood«, fügte Mrs Prowse hinzu und blickte Henry dabei vielsagend an. »Ich nehme an, Lady Weston weiß davon nichts?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Die Haushälterin nickte. »Und das ist gut so, denke ich.«

    Am nächsten Morgen nach dem Frühstück schlenderte Emma mit Phillip durch den Garten, der jetzt noch viel bunter war als im Mai. Jeden Tag schienen mehr Blumen zu blühen. Die Vögel sangen in der frischen Morgenluft, die noch feucht vom Tau war. Der Weißdorn lugte in kleinen Büscheln hervor, die Mohnblumen neigten ihre leuchtend orangenen Hütchen und warteten bescheiden darauf, bewundert zu werden.
    Sie deutete auf eine rote, glockenähnliche Blume und fragte Phillip, wie sie hieße.
    Doch er murmelte nur: »Hm? Ja … schön.«
    Wie still und geistesabwesend er war. Das war nicht mehr der Phillip, den sie kannte, der unbekümmerte Freund von früher. Emma hegte keinerlei romantische Vorstellungen mehr Phillip betreffend, hoffte aber dennoch, dass nichts Schlimmes geschehen war.
    Schließlich konnte sie es nicht länger ansehen und fragte freundlich: »Ich kann es mir ja eigentlich gar nicht vorstellen, wie es sein muss, wenn man plötzlich erfährt, dass man einen älteren Bruder hat, von dem man nichts wusste.«
    Phillip wandte sich zu ihr um, eine tiefe Falte zwischen den Brauen. »Ach – stimmt ja! Henry hat gesagt, dass Sie Bescheid wissen.«
    Emma gefiel sein verärgerter Blick nicht – und vor allem nicht die Tatsache, dass sie dafür verantwortlich war. Sie fügte rasch hinzu: »Ich habe es niemandem gesagt. Nicht einmal meinem Vater.«
    Phillip verzog das Gesicht. »Lady Weston hatte gehofft, dass es in der Familie bleibt, dass höchstens ein paar vertrauenswürdige Diener davon erfahren.«
    Emma sagte ruhig: »Und ich bin keines von beidem.«
    Er schaute sie an; in seinem Blick lag Bedauern, gemischt mit Unbehagen. »Verzeihung, ich wollte nicht …« Er seufzte. »Das ist alles sehr schwierig. Völlig unerwartet und höchst seltsam. Eigentlich sollte es eine glückliche Zeit sein, diese Wiedervereinigung mit einem verlorenen Bruder. Für Henry ist es das auch irgendwie. Aber ich habe Adam nie gekannt. Lady Weston und Henry streiten darüber, was nun aus ihm werden soll, und ich …«
    »Sie sitzen zwischen beiden in der Zwickmühle.«
    Er sah sie an, erleichtert, dass sie ihn verstand. »Ja.«
    »Was sagt denn Sir Giles dazu?«
    Phillip schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Sehr wenig. Er ist genauso gespalten wie ich, möchte Lady Weston zu Willen sein und Frieden mit Henry halten – eine schier unlösbare Aufgabe, wie Sie sich denken können. Deshalb verzieht er sich meistens in die Bibliothek und trinkt Brandy.«
    Emma dachte an ihren eigenen Vater und seine frühere Melancholie, die, seit sie in Cornwall waren, Gott sei Dank verschwunden war. Sie fragte sich, was Sir Giles wohl brauchte, um seinen Weg wiederzufinden.
    Am Nachmittag ging Emma wieder zu Adam. Sie klopfte leise an seine Tür und war überrascht, als nicht Mrs Prowse, sondern Henry öffnete.
    »Oh, hallo.«
    »Miss Smallwood. Kommen Sie herein.« Er öffnete ihr die Tür. »Adam spielt mit dem Domino, das Sie ihm gegeben haben, sehen Sie selbst.«
    Sie blickte zum Tisch, an dem Adam saß, den Kopf konzentriert vornübergebeugt. Sie sagte: »Das freut mich. Ich habe noch eine Kleinigkeit mitgebracht, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Aber überhaupt nicht!« Er winkte sie heran.
    Sie trat langsam an den Tisch, an dem Adam saß und seine Hände über die Dominoreihen gleiten ließ. Er trug heute eine andere Weste, sonst hätte man denken können, er säße noch in der gleichen Haltung da, wie sie ihn verlassen hatte.
    »Hallo, Adam. Du hast doch gesagt, dass du Kekse magst. Ich habe dir meine vom Tee mitgebracht.«
    Sie zog ein kleines, in eine Serviette geschlagenes Päckchen heraus und legte es auf den Tisch, ein Stückchen entfernt von den Dominosteinen. Seine Augen glitten zu den beiden Ingwerkeksen hinüber und seine Hand, die über den Würfeln schwebte, zögerte. Dann sah er sie fragend an.
    Wie er da saß im Sonnenlicht, das durch das Fenster hereinfiel, leuchteten seine Augen kobaltblau, seine blasse Haut

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