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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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immer, dass sie sie alle abstauben muss.«
    Julian zog die Brauen hoch. »Oder das Gespenst von Ebbington hat es genommen. Ist ein ziemlich gieriger Dieb, dieser Geist.«
    »Julian!«, wies Lady Weston ihn sanft zurecht. »Ich weiß, dass du nur scherzt, aber trotzdem. Auf Ebbington Manor gibt es kein Gespenst!«
    »Nur im Nordflügel«, flüsterte Rowan seinem Bruder zu.
    Emma hörte es. Doch von einem Geist war ihr Tagebuch sicher nicht gestohlen worden.
    »Ich möchte es zurückhaben«, sagte sie mit ungewöhnlicher Schärfe. »Es ist mir egal, wer es genommen hat, ich möchte es einfach wiederhaben. Es ist nicht für fremde Augen gedacht.«
    »Voller Geheimnisse, wie?«, fragte Julian mit glitzernden Augen. »Über Sie? Über uns alle?«
    »Vielleicht werde ich den Geist jagen und ihm das Tagebuch abnehmen müssen«, meinte Rowan. »Das klingt nach interessantem Lesestoff.«
    Emma hob das Kinn. »Ich versichere dir, du würdest es äußerst langweilig finden.«
    »Ihre Gesichtsfarbe sagt aber etwas ganz anderes.« Julian grinste.
    Phillip seufzte. »Wenn einer von euch Miss Smallwoods Tagebuch genommen hat, so gebe er es bitte noch heute zurück.«
    »Warum soll es einer von uns gewesen sein?«, beschwerte sich Julian.
    Phillip begann: »Ich will niemanden …«
    Doch Lady Weston unterbrach ihn. »Phillip, du weißt genau, dass meine Jungen so etwas nie tun würden. Warum sollte sie das Geschreibsel einer Frau interessieren, die sie kaum kennen? Ich muss dich bitten, dich bei ihnen zu entschuldigen.«
    »Nun, nun, meine Liebe«, mischte Sir Giles sich milde ein, »ich glaube nicht, dass Phillip es böse gemeint hat. Er versucht nur, Miss Smallwood zu helfen.« Sir Giles sah Emma freundlich an. »Ich werde mit Mrs Prowse reden. Das Gesinde soll die Augen danach offen halten. Grünes Leder, sagen Sie? Keine Angst – wir werden es schon finden.«
    Emma fühlte sich unbehaglich. »Ich möchte niemandem Schwierigkeiten oder Arbeit machen.«
    »Dafür ist es ein bisschen spät«, murmelte Rowan, und er und sein Bruder lachten.
    Emma war empört und verlegen zugleich. Das Gespräch war absolut nicht so verlaufen, wie sie gehofft hatte, und sie fürchtete, die gleiche peinliche Prozedur noch einmal durchmachen zu müssen, wenn sie Henry sah.
    Nach dem Gottesdienst schlenderte Lizzie Arm in Arm mit Emma über den Friedhof von St. Andrews. Emma genoss den Moment der Kameradschaft, sie hatte nur sehr wenige Freundinnen in ihrem Leben gehabt.
    »Ich hoffe, Sie denken nicht, dass ich Ihr Tagebuch genommen habe«, sagte Lizzie leise in verletzlichem Ton.
    Emma hatte daran gedacht, doch plötzlich rief dieser treulose Gedanke Schuldgefühle in ihr hervor. »Ich wollte niemanden beschuldigen, Lizzie. Ich will es einfach nur wiederhaben.«
    Lizzie drückte ihren Arm. »Natürlich. Ich kann mir wohl kaum vorstellen, wie Sie sich fühlen. Ich hoffe, Sie haben nichts Peinliches geschrieben.«
    Emma seufzte. »Es geht nicht darum, dass ich etwas Peinliches geschrieben habe, aber das, was ich geschrieben habe, geht ganz einfach niemanden etwas an.«
    »Warum haben Sie es dann überhaupt geschrieben?«, fragte Lizzie. »Das alles aufzuschreiben, kostet doch Zeit und Mühe. Ich weiß noch, wie meine alte Lehrerin mir befahl, einen langen Brief immer wieder abzuschreiben, damit ich lernte, sauber zu schreiben. Und was hatte ich von all der Mühe? Nackenschmerzen und Tintenfinger.«
    Emma lachte. »Mir macht es Spaß, Tagebuch zu schreiben. Es ist so, als hätte man einen engen Freund, mit dem man ganz offen reden kann.«
    »Und warum erzählen Sie es nicht lieber einem richtigen Freund?« Lizzie sah sie an und fragte sanft: »Haben Sie denn keine Freunde, Miss Smallwood?«
    »Eigentlich nicht. Es liegt wohl daran, dass ich in einer Jungenschule aufgewachsen bin.«
    Lizzie nickte. »Sie waren wahrscheinlich viel perfekter und klüger als die anderen Mädchen und das machte sie natürlich eifersüchtig. Und die Jungen, könnte ich mir vorstellen, hat es eingeschüchtert.«
    Emma spürte, wie ihr bei dem, was Lizzie sagte, die Tränen kamen. Sie holte tief Luft und schlug vor dem unverwandten Blick des Mädchens die Augen nieder. »Wenn es so war, habe ich es jedenfalls nie beabsichtigt. Es gab Zeiten, da hätte ich alles, was ich gelernt habe, mit Freuden gegen eine aufrichtige Freundin eingetauscht.«
    Obwohl sie den Blick noch immer abgewandt hatte, spürte sie, dass Lizzie sie erstaunt ansah. Ihr Geständnis hatte sie sogar selbst

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