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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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tanzen. Er schien es eher als Pflicht zu sehen,eine Pflicht, die er gern an seinen jüngeren Bruder abgetreten hätte. Nun gut, sagte sie sich, wenigstens musste sie nicht mit ihrem Vater tanzen, während zwei ledige Herren herumstanden.
    »Vielleicht möchte Mr Smallwood mit seiner Tochter tanzen«, warf Lady Weston ein, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.
    Mr Smallwood zögerte, sah Emma an und gab Lady Weston klugerweise zur Antwort: »Ich bin als Tänzer nicht halb so gut wie die beiden auf diesem Gebiet so versierten Weston-Brüder.«
    Henry und Phillip sahen Emmas brennendes Gesicht und schauten einander an. Henry trat vor, doch Phillip legte ihm die Hand auf den Arm. »Es wäre mir ein großes Vergnügen, mit Ihnen zu tanzen, Emma. Bitte, kommen Sie.«
    Sie war zutiefst erleichtert. Auf Phillip war einfach Verlass! Sie stand auf und nahm die Hand, die er ihr bot.
    Sie und Phillip tanzten den Sir Roger de Coverley miteinander. Was für ein Vergnügen war es doch, sich zu der fröhlichen Musik zu bewegen, ohne Verlegenheit in Phillips Gesicht zu sehen, der ihr Lächeln von Herzen erwiderte. Seine Hände zu nehmen, zu springen, sich miteinander zu drehen, zu klatschen. Sie spürte, dass sie beobachtet wurde, und als sie aufblickte, sah sie, dass Lady Weston und Henry die Augen fest auf sie gerichtet hatten – beide ohne zu lächeln. Auch Lizzie sah sie mit seltsamem Ausdruck an.
    Doch dann nahm Phillip wieder ihre Hände und sie vergaß alle anderen.
    Als der Tanz zu Ende war, drückte Phillip ihre Hand. »Das hat Spaß gemacht, Emma. Versprechen Sie mir, dass Sie noch mal mit mir tanzen.«
    Sie nickte glücklich.
    Als Nächstes rief der Geiger die Lancers Quadrille aus und Lady Weston erhob sich abrupt. »Phillip, du weißt doch, wie gern ich diese Quadrille tanze. Du musst mich begleiten.«
    »Oh … natürlich.« Er blickte Emma entschuldigend an und nickte bedeutungsvoll zu seinem Bruder hinüber.
    Henry Weston trat vor, um wie gebeten die Lücke zu füllen.
    Wie peinlich , dachte Emma, doch dann machte sie sich klar, dass sie schließlich nicht um einen Tanzpartner gebeten hatte. Trotzdem fühlte sie sich wie der Spieler, der als Letzter für ein Kricketspiel ausgesucht wird. Das Mauerblümchen – und alle anderen schienen höchst zufrieden, sie in dieser Rolle zu sehen.
    Henry verbeugte sich formell vor ihr; sein Gesicht war eine Maske der Gleichmütigkeit. »Miss Smallwood, darf ich um diesen Tanz bitten?«
    »Wenn Sie möchten.«
    Er streckte die Hand aus und sie legte ihre behandschuhte Hand in seine.
    Während sie darauf wartete, dass die Einleitungsmusik vorüber war, dachte Emma an das letzte Mal, als sie mit Henry Weston getanzt hatte.
    Er war gezwungen gewesen, mit ihr zu tanzen, genauso wie jetzt. Der alte Tanzmeister, der im Smallwood-Pensionat unterrichtete, gebot dem damals siebzehnjährigen Mr Weston, mit der damals vierzehnjährigen Emma den französischen und den deutschen Walzer zu tanzen. Sie wusste noch genau, wie peinlich es ihr war, als er zögerte und sein Gesicht sich in offenem Missfallen verzog.
    Bei der Erinnerung daran wurde ihr Gesicht noch jetzt brennend rot. Fand er sie so abstoßend? Anscheinend ja. Denn seine Hand um ihre Taille war leicht wie ein Flüstern und seine andere Hand unter der ihren nur ein Hauch von Berührung. Sie hatte eine raue Stelle an einem seiner Finger gespürt und zuerst gedacht, es sei nur eine Schwiele.
    Später, als sie auf das Gebot des Tanzmeisters ein zweites Mal ihre Hände ineinanderlegten, war ihr aufgefallen, dass die raue Stelle eher wie eine absterbende Warze aussah. Sie blickte von dem Stein des Anstoßes in sein Gesicht, sah, wie er merkte, dass sie es gesehen hatte, und hätte ihn am liebsten angefaucht: »Und du willst nicht mit mir tanzen?« Oder: »Du findest mich abstoßend?«
    Doch in dem Moment, in dem ihre Blicke sich trafen, sah sie ein Aufblitzen von Scham in seinen Augen – von Verletzlichkeit –, undbrachte es nicht übers Herz, etwas zu sagen. Sie wusste, dass viele Jungen alle möglichen Hautkrankheiten hatten und es ihnen peinlich war, vor allem, wenn ihre Mitschüler sie ausgerechnet vor einem Mädchen damit neckten.
    Und so legte sie ohne das geringste Zögern ihre Hand fest in die seine.
    Beim Tanzen fiel Henry Weston ein ganz bestimmter Besuch des alten Tanzmeisters in der Smallwood-Schule ein. Der »Kapriolen-Krämer«, wie die Jungen ihn unter sich nannten, hatte die junge Emma gebeten, den Part der Frau zu

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