Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
Haar, schön frisiert, schmeichelte ihrem Gesicht.Ihre braunen Augen waren groß und freundlich, ihr Teint und ihre Figur durchaus erträglich. Sie flirtete weder mit Phillip noch mit Henry, sondern konzentrierte sich in erster Linie auf seinen Vater, den sie in respektvollem Ton nach seiner Gesundheit fragte – noch ein Punkt für sie.
Henry fragte sich zum zehnten Mal, ob es wirklich seine Pflicht war, um diese Frau zu werben und so Phillip und seiner Familie zu helfen.
Die Heirat mit einer Erbin wie Tressa Penberthy wäre in der Tat eine große Entlastung für die Westons, ja, er musste sich eingestehen, dass weder er noch Phillip hoffen durften, eine vorteilhaftere Partie zu machen, zumal ihre gegenwärtige finanzielle Situation es ihnen nicht erlaubte, die Saison in London zu verbringen und sich auf dem dortigen »Heiratsmarkt« umzusehen.
Es war ganz einfach ein unglücklicher Zufall, dass sowohl er als auch Phillip eine andere bevorzugten. Trotzdem beschloss Henry, höflich zu sein, sein Bestes zu tun und Tressa Penberthy gegenüber offen zu sein.
Am Samstagmorgen ritten Henry und Miss Penberthy zusammen aus. Die junge Dame sah in ihrem engen burgunderfarbenen Reitkleid und dem kecken Hut unbestreitbar elegant aus. Obwohl Henry immer wieder alles andere als einfache Wege wählte, hörte er keine Klagen von der Erbin, ganz anders, als er erwartet und insgeheim sogar gehofft hatte. Stattdessen bewies Miss Penberthy eine geradezu stoische Ausdauer, ja, er gewahrte sogar ein wissendes Funkeln in ihren Augen, als wüsste sie, was er vorhatte.
Sie sprach wenig, stellte nur hin und wieder eine Frage nach dem Anwesen – wo die Grenzen lagen, wie alt das Haus war und so weiter. Doch da er Phillips Rolle als Fremdenführer nicht vorgreifen wollte, antwortete er ihr jeweils nur kurz und nicht so ausführlich, wie er es sonst getan hätte.
Auf die Fragen hingegen, die Phillip höchstwahrscheinlich nicht ansprechen würde, ging er ausführlich ein – die Wege, die er normalerweise ritt, und die Geschichte des Dorfes. Sie wirkte verhalten interessiert, aber nicht besonders beeindruckt. Trotzdem war er erleichtert, dass sie nicht pausenlos redete oder mit ihm flirtete, wie er befürchtet hatte.
Nachdem er seine Pflicht getan hatte, ging er hinauf in sein Zimmer, um seine Reitkleidung abzulegen; Miss Penberthy tat es ihm gleich, nahm er an. Danach zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück, um sich den dringenderen Angelegenheiten wie dem Dammbau und den Plänen für einen Wachturm zu widmen. Für den Nachmittag hatte er ein Treffen mit dem Gutachter vereinbart.
Die nächsten Stunden verbrachte er mit dem Schreiben von Briefen und dem Skizzieren von Plänen.
Dann wandte er sich der wöchentlichen Überprüfung der Bücher zu und war erleichtert, ja beinahe überrascht, dass Einkommen und Ausgaben sich inzwischen sehr viel eher die Waage hielten, als er erwartet hatte. Er prüfte die Summen in der Einkommensspalte, die Miet- und Zinszahlungen und andere Einnahmen aus dem Anwesen. Dabei fiel ihm auf, dass irgendetwas nicht stimmte. Er musste die Sache mit Davies durchsprechen. Vielleicht hatte Lady Weston ja wieder eine Überweisung aus dem Kapital aus ihrem Ehevertrag vorgenommen – das war jedenfalls Davies' Erklärung gewesen, als Henry früher einmal ähnliche Diskrepanzen aufgefallen waren.
Zur vereinbarten Zeit ging Henry hinaus, um den Gutachter zu treffen. Dabei sah er, wie Phillip und Miss Penberthy gerade von ihrem Rundgang über das Anwesen zurückkehrten. Die junge Frau trug jetzt ein apfelgrünes Ausgehkleid, einen großen Hut und einen Sonnenschirm in der Hand. Auf der Vordertreppe lächelte sie, dankte Phillip für die Führung und entschuldigte sich, weil sie sich ausruhen und zum Dinner umkleiden wollte.
Phillip verbeugte sich, blieb aber draußen bei Henry. Die beiden Männer standen schweigend beisammen und blickten der jungen Frau nach.
Wenn Henry sich nicht irrte, waren das Lächeln auf Miss Penberthys Gesicht, der freundliche Blick, mit dem sie ihn bedacht, und die Wärme, mit der sie sich bei Phillip bedankt hatte, Belege dafür, dass sie seinen Bruder ihm vorzog. Er war erleichtert, obwohl es natürlich ein Schlag für sein männliches Selbstbewusstsein war. Wenn es nicht gerade um seine Position als Erbe ging, so dachte er, würde natürlich jede Frau seinem liebenswürdigen, blauäugigen Bruder den Vorzug geben. Er fragte sich, ob – ja er hoffte, dass Phillip seine Ansicht über
Weitere Kostenlose Bücher