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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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seinem Bett stand. »Wer ist da?«, fragte er.
    Anatols Finger krampften sich um den Griff des Dolches. »Stirb!«, sagte er und stieß zu.
    Sixtus warf sich geistesgegenwärtig zur Seite. Der Stoß fuhr dicht neben seinem Kopf in das Kissen. Daunen stoben herum. Sixtus versetzte Anatol einen Tritt in die Magengegend und schrie nach Hilfe.
    Noch einmal versuchte Anatol, dem Papst das Messer in den Leib zu rammen. Aber Sixtus rollte sich von seinem Bett auf den Boden und entging dem tödlichen Stoß.
    In diesem Moment stürmten die beiden Gardisten, die vor dem Eingang Wache gestanden hatten, in das Zelt. Sie sahen den Heiligen Vater, der hinter einem Stuhl kauernd um Hilfe schrie, und an der Rückwand den Eindringling, der gerade durch einen Riss in der Zeltwand zu fliehen versuchte. Ohne zu zögern legten sie ihre Musketen an und schossen. Die Kugeln peitschten den Boden um Anatol auf. Der Rauch des Schießpulvers nahm den Gardisten die Sicht.
    Anatol richtete sich keuchend auf und rannte geduckt durch das Lager in Richtung des nahen Waldes.
    Von einem Augenblick zum anderen herrschte Aufruhr im Lager. Kommandos gellten durch die Nacht, Schüsse knallten durch die Dunkelheit.
    Vom Lärm geweckt, trat Capitano Geller aus seiner Unterkunft, die unweit der des Papstes lag. Einer seiner Gardisten eilte auf ihn zu. »Johann!«, rief Geller. »Was in Gottes Namen ist geschehen?«
    »Capitano!«, rief Johann zurück. »Jemand hat versucht, Seine Heiligkeit zu ermorden. Der Täter flüchtet in Richtung der Wälder.«
    Geller fragte nicht. Es war hier und jetzt unnötig, mehr Details zu erfahren. Er holte seinen Gürtel mit Pistole und Degen aus seinem Zelt, band diesen um und rannte in die Richtung, aus der die Schüsse kamen.
    Die gesamte Gesellschaft war nun auf den Beinen. Die Gardisten befahlen den Dienern, wieder in ihre Zelte zu gehen, und brachten die Geistlichen mit sanfter Gewalt zurück in ihre Unterkünfte.
    Geller traf auf einen Trupp Gardisten, die soeben ihre Musketen nachluden. Zwei von ihnen schossen auf einen dunklen Schemen etwa einhundert Schritte entfernt. »Ist er das?«, fragte Geller seine Männer.
    »Ja, Capitano«, sagte einer der Männer. »Das ist der verfluchte Bursche.« Er legte an und schoss.
    Doch in diesem Augenblick erreichte der Attentäter den Wald und verschwand zwischen den Bäumen.
    »Hinterher!«, befahl Geller. Zusammen mit einem Dutzend Gardisten verfolgte er den Flüchtenden.
    In einer langen Reihe liefen sie in den Wald hinein. Die Hälfte der Soldaten trug Fackeln. Die Äste und Stämme der Bäume warfen bizarre Schatten. Die Verfolgung zu Pferde war in diesem Dickicht unmöglich.
    »Da!«, brüllte ein Gardist und deutete tiefer in den Wald.
    Geller sah einen Schatten zwischen den Bäumen dahinrasen und zog seine Pistole. »Vorwärts!«, rief er seinen Männern zu.
    Zweige brachen unter den Füßen der Gardisten, Vögel stoben aufgeschreckt aus den Baumwipfeln davon, und eine Horde Wildschweine brach aus dem Unterholz aus und floh.
    Geller, der in der Mitte der Kette aus Soldaten ging, verlangsamte seinen Schritt, weil er befürchtete, der Mörder könnte sich in einer Mulde verkriechen, darauf wartend, dass seine Verfolger weiterzogen.
    »Hierher!«, schrie plötzlich ein Gardist am linken Ende der Kette. Dann ein Schuss und ein schmerzerfüllter Schrei.
    »Jost!«, rief Geller, der die Stimme erkannt hatte. »Jost, antworte!«
    »Er ist tot, Capitano«, kam die Antwort eines anderen Gardisten.
    »Verdammt!«, fluchte Geller. Er rannte weiter, sprang über Wurzeln und Gräben.
    Da erscholl ein qualvoller Schrei von der rechten Seite. Geller hielt inne.
    »Er hat Kaspar erwischt!«, rief ein Soldat.
    Voller Wut hieb Geller auf einen Baum ein. Keuchend zwang er sich zu klaren Überlegungen. Wie konnte der Attentäter derart rasch von einem Ende der Kette zum anderen gelangen, ohne dass die Gardisten in der Mitte ihn bemerkten? Hatten sie es hier mit einem Geist zu tun? Wohl kaum.
    Wieder starb einer seiner Männer, dessen Namen ein anderer durch die Nacht rief.
    Und dann traf Geller die Erkenntnis wie ein Schlag. Der Attentäter war nicht vor ihnen – er befand sich in ihrem Rücken und schlich hinter ihnen her. Sofort ging er in die Knie. Das Licht der Fackeln reichte aus, um die Umgebung zu erkennen. Seine Männer waren nun zwanzig Schritte vor ihm. Er blickte über die Büsche und an den Bäumen vorbei.
    Eine Weile nahm Geller nichts wahr außer den Geräuschen, die seine

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