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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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sich abwenden. Aber dann überlegte sie es sich offenbar anders. Sie wischte mit einer Hand den Schweiß von ihrer Stirn und sah sich um. Plötzlich goss sie etwas Wein aus der Karaffe in den Becher. Anatol wollte aufschreien, aber da setzte sie den Becher schon an die Lippen und trank.
    Als sie den Saal verlassen wollte, setzte bereits die Wirkung des Giftes ein. Sie hielt inne und griff sich keuchend an den Hals. Sie schien schreien zu wollen, aber kein Laut drang ihr aus der Kehle. Sie stolperte über ihre eigenen Füße und stürzte zu Boden. Dann setzten die Krämpfe ein. Ihr Leib bebte und wand sich wie eine Schlange. Ein letztes Aufbäumen, dann hörte das Zappeln der Glieder auf. Sie war tot.
    Leise fluchend richtete Anatol sich auf. Plötzlich hörte er eine Stimme, und sofort zog er sich wieder hinter die Balustrade zurück. Eine kleine Tür in der Wand öffnete sich. Ein Kardinal trat ein, dicht gefolgt von einem Bischof und zwei niederen Geistlichen. Sie redeten leise miteinander und waren ganz in ihr Gespräch vertieft. Da erblickte einer der Geistlichen die Tote. Er schrie auf und zeigte auf den Leichnam. Sofort eilten die Männer zu ihr, konnten aber nur den Tod der jungen Frau feststellen.
    Eine dunkle Stimme ertönte von der kleinen Tür her: »Was in Gottes Namen ist hier geschehen?«
    Fieberhaft versuchte Anatol zu erkennen, wer da sprach. Es war Papst Sixtus V. höchstselbst. Er zögerte nicht. Die beiden Pistolen lagen blitzschnell in seinen Händen. Kurz zielte er – und feuerte eine der Waffen ab.
    Die Kugel schlug nur eine Elle weit neben dem Gesicht des Papstes in den Rahmen eines Gemäldes ein. Der Bischof reagierte geistesgegenwärtig, während die anderen hinter Stühlen und Tischen Deckung suchten. Er eilte auf den Papst zu, um diesen durch die Tür zurück in den Nebenraum zu drängen. Anatol schoss erneut. Der Bischof brach zusammen. Mit letzter Kraft stieß er den Papst in den angrenzenden Raum und schlug die Tür zu.
    Erst jetzt begannen die Geistlichen, nach den Wachen zu schreien.
    Schon hörte Anatol laute Schritte und Kommandos auf den Gängen. Er zog sein Schwert und sprang über die Balustrade, direkt neben einen der Geistlichen. Vor Schreck war dessen schmales Gesicht ganz bleich. Ohne zu zögern, rammte Anatol ihm das Schwert in die Brust. Dann strebte er der Tür zu, hinter der der Papst verschwunden war.
    Schon wollte er die Tür aufreißen, um seinen Auftrag zu Ende zu führen, da wurde sie von der anderen Seite aufgestoßen. Ein junger Gardist stürmte heraus. Er stockte, als er Anatol erblickte, anscheinend unfähig zu begreifen, was gerade geschah. Diesen Moment nutzte Anatol. Er holte aus und hieb sein Schwert gegen den Hals des Gardisten. Blut schoss aus der Wunde. Der Gardist stöhnte auf und griff sich an die Kehle. Anatol stieß ihn achtlos beiseite.
    Noch bevor er den Nebenraum betreten konnte, sah er am anderen Ende, dass der Papst, von einem halben Dutzend Gardisten eskortiert und fortgeschafft wurde. Andere Gardisten stürzten brüllend auf den Eindringling zu.
    Anatol musste erkennen, dass er gescheitert war. Er wandte sich um, lief zurück durch den Saal und stieß das Portal auf. Das Schwert in der einen, den Dolch in der anderen Hand rannte er auf den langen Gang hinaus. Hinter sich hörte er die Verfolger. Er jagte vorwärts, verfolgt von den Gardisten. Er suchte nach einer Möglichkeit, zur Seite zu entweichen, doch keine Tür ließ ihn aus der Falle entkommen. Noch näherte sich niemand von vorn. Aber das würde nicht mehr lange dauern.
    Und dann war es auch schon so weit. Zwei Gardisten kamen etwa vierzig Fuß vor ihm um die Ecke. Als sie ihn erblickten, hoben sie ihre Hellebarden und eilten ihm entgegen. Die Spitzen der Hellebarden blitzten im Schein der unzähligen Fackeln bedrohlich auf.
    Kurz bevor die Gardisten ihn erreichten, reagierte Anatol. Mit Dolch und Schwert schlug er die Hellebarden zur Seite. In einer eleganten Bewegung kreuzte er seine Waffen vor der Brust und nutzte so den Schwung, um beiden Männern im gleichen Atemzug die Kehle aufzuschlitzen. Dann war er auch schon an den beiden vorüber. Er bog in den Gang ab, aus dem die Gardisten zuvor gekommen waren. Vor sich erkannte er weitere Soldaten. Drei von ihnen stellten ihre Musketen in die Stützgabeln und richteten den Lauf auf Anatol. Einen Wimpernschlag, bevor die Männer ihre todbringenden Kugeln abfeuerten, stieß Anatol eine Seitentür auf. Unter dem dröhnenden Donnern der

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