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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Feuerwaffen sprang er in den dahinter liegenden Raum und schlug mit einem Fuß die Tür zu.
    Seine Augen brauchten einige Augenblicke, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Nur durch ein schmales Fenster fiel fahles Mondlicht herein. Neben sich gewahrte er eine schwere Truhe. An einem schweren Eisengriff zog er sie vor die Tür. Keinen Augenblick zu spät. Schon hämmerten die Fäuste der Soldaten von außen gegen das Holz.
    Anatol lief durch den moderig riechenden Raum. Er stieß das Fenster auf und schaute hinaus. Der Kies unter ihm war nicht sehr tief. Er steckte Schwert und Dolch zurück in die Scheide und sprang aus dem Palast in das Kiesbett.
    Und da kamen sie auch schon. Je ein Dutzend Gardisten von links, von rechts und von vorn. Hinter Anatol brachen gerade die Soldaten durch die verrammelte Tür. Jetzt blieb ihm nur ein Weg zur Flucht: die starken Efeuranken, die an der Palastwand hinauf wuchsen. Anatol griff danach und zog sich hoch. Kurz bevor er das flache Dach erreichte, schlugen Kugeln um ihn herum in das Mauerwerk ein. Mit Schwung wuchtete er sich schließlich auf das Gesims des dreistöckigen Nebentraktes. Einen Augenblick blieb er so liegen und rang schwer nach Atem. Dann hörte er das Schnaufen der Männer und das Rascheln des Efeus. Anatol kroch etwa zwanzig Fuß weit auf dem Dach entlang, bis er es wagte, aufzustehen. Er blickte sich in der Dunkelheit um. An welcher Stelle konnte er wieder hinunterklettern? Als sich die Köpfe seiner Verfolger am Rande des Daches abzeichneten, rannte er davon. Quer über das Dach ging die Flucht. An der Kante sprang er etwa eine Manneslänge auf einen tiefer gelegenen Anbau. Hier lief er auf die rechte Seite, wo eine Eisenleiter auf das Hauptgebäude führte. Kaum stand er auf der ersten Sprosse, sausten erneut die Kugeln um ihn herum. Fünf Soldaten hatten ihn von dem höher gelegenen Dach aus unter Feuer genommen. Einige der Geschosse schlugen so dicht neben seinem Kopf ein, dass die Splitter des Mauerwerks in sein Gesicht schnitten. Flink kletterte er die Leiter empor. Auf dem Hauptgebäude jagte er auf die Kuppel in der Mitte des Gebäudes zu. Sein Vorsprung wurde größer. Die Gardisten mit ihren schweren Waffen hatte alle Mühe, ihn einzuholen. Er lief um die Kuppel herum, stolperte, fiel und rappelte sich wieder auf. Noch ein Sprung auf einen tieferen Nebentrakt, und er stand am Sims mit Blick auf die Mauer, hinter der sein Pferd auf seinen Herren wartete.
    Doch hier wuchs kein Efeu, an dem er hinabklettern konnte. Die Entfernung zum Boden betrug etwa drei Manneslängen. Er sprang – und knickte beim Aufprall mit einem Fuß um. Er schrie auf vor Schmerz, doch die Angst vor der Ergreifung setzte neue Kräfte in ihm frei. Mit verzerrtem Gesicht humpelte er über den Rasen. Und dann: ein Ruf. Aus einer Kehle, die noch die eines Knaben zu sein schien. Anatol wandte den Kopf zur Seite und erblickte einen jungen Gardisten, der seine Pistole auf ihn richtete.
    »Bleib stehen!«, befahl der Gardist. Dabei hielt er die Pistole mit zitternden Händen auf den Gesuchten gerichtet.
    Anatol seufzte. Er zog den langen Dolch. »Du bist alt genug, eine Waffe zu halten«, sagte er mit ruhiger, fast mitleidiger Stimme. »Doch bist du auch alt genug, zu sterben?« Langsam ging er auf den Gardisten zu.
    »Halt, oder ich schieße!«, rief der Gardist. Seine zitternden Hände beschrieben zuckende Kreise. Als Anatol nicht stehen blieb, schoss er mit geschlossenen Augen.
    Die Kugel schlug klatschend in Anatols rechtes Bein ein. Doch kein Laut kam über seine Lippen. Er ging zielstrebig weiter auf den Gardisten zu.
    Dem stand das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Er hatte seine einzige Kugel verfeuert und es blieb keine Zeit, um nachzuladen. Er warf die Waffe fort und floh mit weit ausholenden Schritten in die Dunkelheit des Gartens.
    Anatol ließ ihn ziehen. Er schleppte sich bis zur Mauer, stieg auf einen kleinen Felsen und zog sich hinüber. Sein Pferd stand noch an der Stelle, an der er es Stunden zuvor zurückgelassen hatte. Er streichelte die schwarzen Nüstern, schwang sich in den Sattel und stob davon.
    In tiefster Nacht erreichte Anatol die Taverne seines Freundes Aldo. Statt Aldo zu wecken, brachte er sein Pferd selbst in den hinten liegenden Stall, darauf bedacht, nicht das leiseste Geräusch zu verursachen.
    Etwa eine Stunde später betrat er sein Haus in Torre di Nona. Er zündete drei Kerzen an, machte Feuer an der Feuerstelle und schenkte sich reichlich

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