Die Tochter des Kardinals
Bauern. »Was hat dieser Mann verbrochen, dass er den Tod verdient?«
Langsam gewann der Soldat seine Fassung zurück. »Sie haben gewildert«, sagte er mit der Überzeugung eines Mannes, der sich im Recht sah. Er deutete auf ein totes Reh und zwei tote Fasane etwa zehn Fuß entfernt.
Giulia dachte fieberhaft nach. »Wo habt ihr sie gestellt?«
»An eben diesem Ort«, antwortete der Soldat.
Giulia sah sich um. Kurz entschlossen ging sie auf die Bauern zu. Der Mann hielt die vor Angst zitternde Frau um die Schultern. »Ihr habt die Tiere erlegt?«, fragte Giulia mit sanfter Stimme.
Der Bauer nickte stumm. Seine Blicke zuckten von der jungen Nonne zu den Soldaten und wieder zurück.
»Wo?«, wollte Giulia wissen.
Er zeigte die Richtung an.
»Ihr braucht keine Angst mehr zu haben«, flüsterte Giulia. »Euch wird kein Leid geschehen.« Sie ging zurück zu dem Soldaten, der der Anführer der Horde zu sein schien.
»Nun?«, fragte dieser und zog verächtlich die Brauen hoch. »Zieh weiter deines Weges und lass uns das Recht des Conte durchsetzen.«
»Gar nichts werdet ihr durchsetzen«, sagte Giulia. »Der Teil des Waldes, in dem dieser Mann und seine Frau das Wild erlegt haben, gehört dem Kloster. Folglich unterliegen sie nicht der Gerichtsbarkeit des Conte.«
Der Soldat schnappte nach Luft. »Du willst doch nicht diesen verlogenen Wilddieben mehr Glauben schenken als den Soldaten des Conte di Castiglione?«
Giulia lächelte herausfordernd. »Bei Gott, das will ich. Und nun steigt auf eure Pferde und verlasst das Gebiet des Klosters!«
Der Soldat winkte mit einer verächtlichen Geste ab, hob sein Schwert und ging auf den Bauern zu.
Giulia stellte sich ihm in den Weg. »Ich befehle euch im Namen des Herrn, haltet ein und zieht von dannen!«
Der Soldat stieß die Nonne zur Seite und ging weiter.
Giulia schrie auf und lief dem Soldaten hinterher. Erneut stellte sie sich zwischen den Soldaten und die Bauersleute. Drei Armbrüste ruckten hoch und legten auf sie an.
»Willst du diese Menschen richten, musst du zuerst mich erschlagen!«
Zunächst stand der Soldat unschlüssig vor ihr, doch dann holte er mit dem Schwert aus.
Todesmutig streckte Giulia ihm das Kreuz auf ihrer Brust entgegen. »Tötet ihr mich, so sind euch grausame Höllenqualen gewiss. Ihr werdet doch nicht wegen ein paar toter Tiere die ewige Verdammnis in Kauf nehmen. Wollt ihr für immer im lodernden Feuer der Hölle schmoren?«
»Verdammt«, rief einer der umstehenden Soldaten dazwischen. Ein schmächtiger Bursche, der seinem schmalen Gesicht durch einen wilden, ungepflegten Bart ein wüstes Aussehen zu geben suchte. »Padre Antonio hat gesagt, für einen Mord brennt man mindestens tausend Jahre in der Hölle.«
Der Anführer sah seinen Kumpan entgeistert an. »Was redest du da für wirres Zeug? Das hier ist kein Mord, sondern die Strafe für Wilderei!«
»Die Nonne hat nicht gewildert, wenn ich mich recht entsinne«, erwiderte der Bärtige.
»Matteo hat recht«, warf ein anderer Soldat ein. »Was sind einige tote Brocken Fleisch gegen unser Seelenheil? Machen wir, dass wir fortkommen.«
Seelenheil?, dachte Giulia. Das habt ihr gewiss schon vor Jahren verloren, wenn ihr je welches besaßet.
Der Anführer grunzte widerwillig. Er zeigte mit der Spitze seines Schwerts an Giulia vorbei auf den Bauern und seine Frau. »Wenn ich euch jemals wieder erwische, wie ihr das Wild des Conte erlegt, gnade euch Gott.«
»Und gnade dir Gott«, zischte Giulia, »wenn diesen Leuten in den Waldungen des Klosters etwas zustößt.«
Der Soldat spie voller Verachtung auf den Waldboden, während er, ohne Giulia und die Bauern aus den Augen zu lassen, mit seinen Männern die Pferde bestieg.
Kaum waren die Männer im dichten Wald verschwunden, begann die alte Frau zu weinen. Von ihrem Mann gestützt, sank sie in die Knie.
Giulia beugte sich zu ihnen hinab. Sanft streichelte sie die hängenden Schultern der Frau und schaute lächelnd in ihr von tiefen Falten zerfurchtes Gesicht. »Es ist gut, Mütterchen«, sagte sie. »Niemand wird euch etwas antun.«
Die Frau brachte kein Wort heraus, dafür sprach ihr Mann: »Wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet, Schwester«, sagte er. »Wie können wir unsere Schuld bei Euch begleichen?«
»Ihr steht keineswegs in meiner Schuld, guter Mann«, lächelte Giulia. »Allein, eine Bitte müsst ihr mir erfüllen.«
»Was immer es ist«, sagte der Bauer.
»Treibt euch der Hunger das nächste Mal in den Wald, so
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