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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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glaube kaum, dass das Hexen sind«, entgegnete der Kutscher und besah den Staub auf seinen Stiefeln.
    Giulia war nun noch verstörter. »Keine Hexen?«, fragte sie. »Wen in Gottes Namen verbrennen sie dann?«
    Mit einer Hand griff der Kutscher behutsam nach Giulias Arm und versuchte, sie fortzuzerren. »Wir sollten uns wieder auf den Weg machen. Es ist noch weit.«
    Wütend riss Giulia sich los. »Du weißt, was hier vorgeht? Dann sag es mir!«
    Doch der Kutscher schwieg beharrlich.
    Mit einem erbitterten Schnaufen hob sie den Saum ihres Habits an und rannte über das Feld auf das Feuer am Waldesrand zu. Auf der Hälfte des Weges sah sie drei brennende Menschenkörper an einen Stamm auf dem Scheiterhaufen gebunden. Die armen Seelen zuckten und schrien, während die Flammen an ihnen fraßen. Giulia beschleunigte ihren Schritt. Kurz darauf erstarben die Schreie. Dichter schwarzer Rauch stieg in den blauen Himmel auf. Fast glaubte Giulia, die Seelen der Verbrannten mit den Schwaden emporfahren zu sehen.
    Keuchend erreichte sie die Menschentraube, die noch immer fröhlich johlte. Einfache Leute waren es, das erkannte sie an den Kleidern. Bauern, Handwerker, Mägde, sogar Kinder bedachten die verschmorten Leiber mit hämischen Rufen. Sie stellte sich vor einen kleinen, dicken Mann mit hervorquellenden Augen. »Was habt ihr mit den armen Menschen gemacht?«, wollte sie von ihm wissen.
    Der Mann lachte. »Ich denke, das sagen Euch Eure eigenen Augen, Schwester.«
    Giulia presste die Lippen aufeinander. »Wollt Ihr mich verspotten, Mann? Sagt mir auf der Stelle, warum diese Menschen verbrannt wurden!«
    Noch immer lachend setzte der Mann einen Krug Wein an die Lippen und trank genüsslich. Der Nonne schenkte er keinerlei Beachtung mehr.
    Giulia sah ein, dass jedes weitere Wort vergebens war. Sie sprach eine junge Frau an, die ihr aber ebenso wenig eine Antwort gab.
    Allmählich wurden die Umstehenden auf die Nonne aufmerksam und starrten sie stumm an. Giulia fuhr ein kalter Schauer über den Rücken. In ihren Augen waren das Wahnsinnige, durch irgendeine Krankheit irre geworden, die kaltblütig Menschen ermordeten. Eine Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter. Mit einem erstickten Schrei fuhr sie herum. Vor ihr stand ein bärtiger Priester, an dessen schwarzer Soutane Staub und Essensreste klebten.
    »Wer seid Ihr?«, fragte der Priester mit dunkler Stimme.
    »Mein Name ist Schwester Giulia aus dem Kloster Santa Annunziata. Und wer seid Ihr?«
    »Pater Angelo Piola«, sagte der Priester. »Wollt Ihr so freundlich sein, mir zu verraten, was Ihr hier treibt?«
    Langsam wich die Furcht aus Giulias Körper. Sie streckte sich und gab zurück: »Das sollte ich eher Euch fragen. Was haben diese Menschen verbrochen, dass man sie verbrennt?«
    Piola lachte trocken. »Was schert es Euch? Geht zurück, wo Ihr hergekommen seid, und lasst uns Gottes Werk verrichten.«
    »Über sie wurde ein Gottesurteil gesprochen?«, fragte Giulia.
    »Kennt Ihr einen anderen Spruch, der als Strafe das heilige Feuer vorsieht?«, spottete Piola.
    Giulia ließ sich nicht beirren. »Sagt mir endlich, was diese Menschen getan haben!«
    Piola seufzte übertrieben. »Sie haben sich der Ketzerei schuldig gemacht. Reicht Euch das?«
    »Nein!«, stieß Giulia hervor. »Welcher Art Ketzerei?«
    »Sie hingen dem falschen Glauben an.«
    Giulia begann zu ahnen, warum diese Leute sterben mussten. »Was wollt Ihr damit sagen?«
    Es war Piola anzusehen, dass er dies für eine äußerst dumme Frage hielt. »Es waren verfluchte Lutheraner.«
    Die Antwort bestätigte Giulias Verdacht. Ungläubig riss sie die Augen auf. »Ihr habt diese Menschen verbrannt, nur weil sie an die Lehren Luthers glaubten?«
    Piola nickte stumm.
    Sie schaute zu den Flammen und schüttelte den Kopf. »Sie waren Christen, ebenso wie Ihr. Sie glaubten an denselben Gott, an Jesus, an die Erlösung. Wie konntet Ihr so etwas tun?«
    Piola kniff die Augen zusammen. »Sagt mir, Schwester, an welchen Gott Ihr glaubt. Mir scheint, es ist der Gott dieser Ketzer.«
    Erschrocken trat Giulia einen Schritt zurück. »Ich bin eine Ordensschwester der heiligen Mutter Kirche!«, beeilte sie sich zu sagen.
    »Sie ist eine Lutherhexe!«, lallte der Dicke mit den Glupschaugen.
    Jetzt geriet Bewegung in die Masse. Ein Stein traf Giulia am Hinterkopf und ließ sie straucheln. Eine Frau rief: »Verbrennt sie mit ihren Ketzerfreunden!«
    Plötzlich packten zwei Männer Giulia und hoben sie hoch. Unter lautem

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