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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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dich hole.«
    Giulia nickte nur und begab sich zurück in ihre Zelle.
    Nachdem sie ein sauberes Gewand angezogen hatte, setzte sie sich auf das Bett und wartete. Ob nun der Augenblick gekommen war, da man sie mit ihrer eigentlichen Aufgabe betraute?
    Wenig später öffnete sich die Tür und Regina rief sie hinaus.
    Giulia konnte ihre Aufregung nicht mehr bezähmen. »Wohin gehen wir, Schwester?«, brach es aus ihr heraus.
    »Stell keine dummen Fragen und folge mir«, gab Regina zurück und ging voraus.
    Sie durchquerten erneut das gewaltige Kirchenschiff und betraten einen weiteren Flügel des Petersdoms. Sofort fiel Giulia auf, dass hier weitaus mehr Gardisten Wache hielten als in den anderen Räumlichkeiten. Dafür sah sie kaum einen Geistlichen oder eine Nonne.
    Vor einer reich verzierten Tür blieb Regina stehen. Sie klopfte dreimal an. Gleich darauf rief eine dunkle Männerstimme: »Herein!«
    Mit der einen Hand öffnete Regina, mit der anderen schob sie Giulia durch den Spalt und zog die Tür von außen zu.

9
    Verwirrt sah Giulia sich um. Der quadratische Raum maß an jeder Seite etwa sechzig Schritte. Die Decke befand sich etwa zwanzig Fuß über ihr. An den Wänden hingen edle Teppiche mit religiösen Motiven.
    »Beeindruckt?«, fragte eine Stimme, die so dunkel und kalt war, dass Giulia fröstelte.
    An der Stirnseite entdeckte sie einen breiten Tisch. Dahinter saß der Mann, dem die düstere Stimme gehörte. Er war ganz in Purpur gekleidet. Ein Kardinal!
    »Tretet näher«, sagte der Kardinal. Giulia glaubte so etwas wie Spott in der Stimme zu hören.
    Langsam ging Giulia auf den hohen Würdenträger zu. Der hockte wie eine Spinne in ihrem Netz hinter seinem Schreibtisch und sah ihr entgegen. Mit jedem Schritt konnte Giulia weitere Einzelheiten erkennen. Der Kardinal war von hagerer, aber sehniger Gestalt. Er hatte dichtes schwarzes Haar, das an den Schläfen grau wurde, und buschige Augenbrauen. Die dunklen, wie in Höhlen liegenden Augen betrachteten sie neugierig. Giulia hatte das Gefühl, der Blick eines Wolfes ruhe auf ihr, der bereit war, sein Opfer beim ersten Anzeichen von Schwäche zu zerfleischen. Sie verspürte Angst vor dem Mann, den sie erst seit wenigen Augenblicken kannte. Warum nur hatte Regina sie mit ihm allein gelassen? Sie wollte umdrehen und weglaufen. Doch zugleich fühlte sie sich von ihm angezogen und auf eine seltsame Art und Weise mit ihm verbunden. Ihr schwindelte.
    »Da seid Ihr also«, sagte der Kardinal, als Giulia vor dem Tisch angekommen war. Er musterte sie vom Scheitel bis zu den Sohlen und wieder zurück.
    »Eminenz«, sagte Giulia. Ihre Stimme überschlug sich.
    Der Kardinal lehnte sich in seinem mit Brokat verzierten Stuhl zurück und faltete die Hände. »Mein Name ist Kardinal Carafa«, sagte er und lächelte spröde. »Vizekanzler der heiligen Mutter Kirche. Ihr seid Giulia aus dem Kloster Santa Annunziata?«
    Giulia nickte. Die Angst in ihren Gliedern wuchs. Sie ballte die Fäuste, bis die Knöchel weiß wurden.
    »Habt keine Angst vor mir«, sagte Carafa. »Ihr seid auf mein Geheiß im Vatikan. Ich nehme an, das ist eine der Fragen, die Euch auf der Seele lasten?«
    In der Tat, dachte Giulia. Und nun ist sie beantwortet.
    Carafa stand auf und ging zu einem kleinen Tisch neben dem Kamin. Er nahm eine der Flaschen darauf und goss zwei Gläser voll. Eines reichte er Giulia. »Trinkt«, sagte er und hob sein Glas.
    Vorsichtig nippte Giulia an dem Glas. Der Wein floss ihre Kehle hinab und verbreitete wohlige Wärme und Ruhe in ihrem aufgewühlten Inneren.
    Carafa schien zu spüren, dass Giulia durch seine Nähe beunruhigt war. Er trat an ein Fenster, durch das Sonnenlicht auf ihn fiel. Fast war es Giulia, als bilde das Licht eine Aura um Carafa. Seltsamerweise sah es aus, als würde der Kardinal von einer dunklen Schicht umgeben, die das Sonnenlicht nicht zu durchdringen vermochte.
    Carafa schaute aus dem Fenster, während er weitersprach: »Es mag Euch verwundern, dass Ihr auf Wunsch eines Kardinals in den Vatikan gerufen wurdet. Eines Kardinals, den Ihr nie zuvor zu Gesicht bekamt.« Er schaute über die Schulter in Giulias Augen.
    »Ihr habt Recht, Eminenz«, sagte Giulia.
    »Ihr seid in Giulianova geboren?«
    »Das bin ich, Eminenz.« Was sollte diese Frage?
    »Ich will Euch nicht länger auf die Folter spannen«, sagte er.
    Giulia sah ihn erwartungsvoll an.
    »Vor einigen Tagen«, fuhr Carafa fort, »verübte ein Unbekannter einen Mordanschlag auf Seine Heiligkeit

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