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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Weile schwatzten und lachten sie miteinander. Plötzlich klatschte jemand in die Hände, und die Musik verstummte jäh.
    »Es beginnt!«, flüsterte Fulvia.
    Giulia trat noch näher an den Spalt heran. Die Angst, man könne sie entdecken, war längst verflogen.
    Einer der Männer, eine große, kräftige Erscheinung in der Kleidung eines orientalischen Sultans mit gewaltigem Turban auf dem Kopf, stellte sich in die Mitte des Saals. Mit erhobenen Händen zog er die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. »Liebe Freunde, liebe Gäste«, sprach er salbungsvoll mit einer dunklen Stimme, die Giulia aus irgendeinem Grund bekannt vorkam. »Seid willkommen zu diesem Fest. Labt Euch an Wein und köstlichen Speisen, an Musik und Tanz. Lebt, als wäre es der letzte Tag auf Gottes Erde.«
    Die Gäste applaudierten stürmisch.
    »Der Mond steht hoch am Himmel«, sprach der Sultan weiter. »Es ist Zeit für den Höhepunkt dieser festlichen Nacht.« Er klatschte in die Hände.
    Ein Dutzend Diener eilte herbei und verstreute überall Kastanien auf dem Boden.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Giulia.
    »Du wirst es gleich erfahren.« Fulvia schmunzelte.
    Ein Diener reichte dem Sultan einen schweren, eine Elle hohen Pokal aus Gold, der mit Juwelen übersät war und im Schein der Fackeln irisierend funkelte. Der Sultan hielt den Pokal in die Höhe und erntete begeisterte Rufe. »Dem Sieger des heutigen Abends gebührt dieser Pokal. Doch würde ich ein Minimum von fünf vorschlagen.«
    Verzückte Jubelrufe waren die Antwort.
    »Wohlan«, sagte der Sultan, »möge das Spiel beginnen.« Er drehte sich langsam im Kreis. »Meine Damen!«
    Die Damen gingen in die Mitte des Saals – und legten unvermittelt all ihre Kleider ab. Allein die Masken behielten sie auf.
    »Herr im Himmel!«, stöhnte Giulia auf. Fulvia legte ihr schnell eine Hand auf den Mund.
    »Meine Herren!«, rief der Sultan mit einer einladenden Geste.
    Die Männer bauten sich in einem großen Kreis um die Tanzfläche auf. Auch sie legten ihre Kostüme ab. Nackte Männer, junge und alte, standen erwartungsvoll da. Einigen war die zügellose Erwartung an ihrem Gemächt abzulesen.
    Auch der Sultan entkleidete sich, legte Kaftan und Pumphose ab und klatschte erneut in die Hände. Sogleich gingen die Huren auf alle viere und suchten nach den Kastanien. Die Männer warteten noch einen Augenblick, dann stürzten sie sich auf die nackten Frauenkörper.
    »Sodom und Gomorrha!«, hauchte Giulia. »Und das in Rom!« Sie war fassungslos. Noch nie in ihrem Leben hatte sie nackte Menschen gesehen. Ganz abgesehen davon, was diese Menschen miteinander anstellten. Es war entsetzlich! Doch unerwartet schnell wandelte sich ihr Entsetzen in grenzenlose Neugier, und sie beobachtete still weiter.
    Einige Männer zuckten ekstatisch, verschnauften kurz und nahmen sich dann die nächste Dame. Ein paar ältere Männer gaben erschöpft auf und entfernten sich enttäuscht und verschämt von der Tanzfläche.
    Giulia nahm eine Bewegung am Rande des Treibens wahr. Ein ungewöhnlich fettleibiger Gast, der noch immer vollständig bekleidet auf einem großen Kissen an der Wand saß, sprach mit einem der blutjungen Diener. Immer heftiger redete er auf den Jungen ein. Der erwiderte nichts und wollte sich schon entfernen. Da griff der Dicke mit einer schnellen Bewegung dem Jungen in den Schritt und zog ihn auf seinen Schoß. Der Diener wehrte sich nach Kräften. Dies alles geschah unbemerkt von den anderen Gästen. Plötzlich schlug der Diener dem Dicken die Maske vom Gesicht.
    Giulia schrak auf. »Ich kenne diesen Mann«, sagte sie.
    Erst jetzt schien Fulvia die Szene zu bemerken. »Kardinal Pozzi«, sagte sie mit einer Stimme, die wenig Überraschung zeigte. »Ein Teufel in Menschengestalt.«
    Pozzi schlug dem Diener mit der Faust auf den Kopf, woraufhin dieser in Ohnmacht fiel. Rasch setzte er die Maske wieder auf, trug den Jungen aus dem Festsaal hinaus und kehrte nicht wieder zurück.
    »Wohin geht er mit dem Diener?«, fragte Giulia.
    »An einen Ort, an dem er ungestört ist«, antwortete Fulvia.
    Giulia verstand nicht. »Aus welchem Grund will Pozzi ungestört sein?«
    »Du willst es nicht wissen«, sagte Fulvia.
    Das Feld der standhaften Streiter um die Mannesehre lichtete sich. Auch der Sultan hatte inzwischen aufgegeben. Die Huren suchten auf den Knien weiter nach den Kastanien, während die Männer immer wieder in sie eindrangen.
    Schließlich blieben zwei junge Kerle übrig. Die beiden kämpften

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