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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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rechts führte. Leise Musik war zu hören und das frivole Lachen von Männern und Frauen. Auf der linken Seite tauchten Schatten im Schein der Fackeln auf.
    Fulvia griff Giulias Hand. »In diese Richtung!«
    Sie flohen vor den Schatten nach rechts. Musik und Lachen wurden lauter. Es mussten Dutzende Menschen sein, die sich hier vergnügten. Erst jetzt wurde Giulia stutzig. Warum hörte sie hier in der Engelsburg die Stimmen von Frauen?
    Die Nonnen liefen immer weiter, bis sie das Ende des Ganges erreichten und vor einer Mauer standen.
    »Wohin nun?«, fragte Giulia.
    Fulvia grinste, fuhr mit einer Hand an der Mauer entlang und drückte einen der Steine in eine dahinter verborgene Mulde. Knarrend setzte sich ein geheimnisvoller Mechanismus in Bewegung, und das Mauerwerk bewegte sich wie von Zauberhand nach innen. Fulvia schob Giulia in das schwarze Nichts und zwängte sich hinterher. Giulia hörte, wie Fulvia einen Hebel bewegte – und die Mauer fuhr in ihre alte Stellung zurück.
    »Wo in Gottes Namen sind wir?«, fragte Giulia in die Finsternis hinein.
    »Wir stehen in einem Verschlag, den die Päpste früher benutzt haben«, sagte Fulvia.
    »Aus welchem Grund sollten die Päpste sich in dies düstere Loch begeben?«
    »Um zu beobachten.«
    Giulia wurde allmählich ungeduldig. Warum konnte Fulvia nicht in klaren Worten reden? »Um was zu beobachten?«, fragte sie.
    Es raschelte, und plötzlich drang Licht durch einen etwa eine halbe Elle langen und zwei Finger breiten Spalt. »Das!«, sagte sie nur.
    Giulia sah hindurch und fuhr voller Schrecken zurück. »Was geht dort vor?«
    Fulvia kicherte leise. »Ein Fest.«
    »Ein arg seltsames Fest«, meinte Giulia.
    »Schweig!«, sagte Fulvia. »Und schau zu!«
    Und Giulia schaute zu. Sie sah einen kreisrunden Festsaal, in dem rund fünfzig Menschen versammelt waren. Vielleicht zwanzig Männer und dreißig Frauen. Allesamt verkleidet. Einige trugen fremdartige Kleider, die orientalischen Ursprungs sein mochten, andere hatten ihren Körper in ein Tierkostüm gezwängt. Und alle hatten Masken vor dem Gesicht – seltsame, Furcht erregende Fratzen mit verzerrt gemalten Gesichtszügen und schief grinsenden Mündern, langen Nasen und kleinen schwarzen Punktaugen. Die merkwürdige Gesellschaft tummelte sich auf riesigen Kissen, saß auf bequemen Kanapees oder an eine der vielen Säulen gelehnt, die den Saal ringsum begrenzten. Dabei unterhielten sie sich mal laut, mal leise, lachten und schlemmten Trauben, Wachteln und Wein. Unmengen von Wein. Zwischen ihnen huschten junge Diener mit schmalen Hüften herum. Auf einer kleinen Bühne spielte ein halbes Dutzend Musiker bekannte Melodien.
    »Wer sind diese Leute?«, fragte Giulia.
    »Adelige, Kirchenmänner und hochgestellte Männer aus der Stadtverwaltung«, sagte Fulvia. »Barone Roms und ihre Söhne, Kardinäle und Bischöfe …«
    Giulia beobachtete die Frauen, die kokettierend umherliefen oder ordinär kreischten, wenn ihnen einer der Männer auf das Hinterteil schlug. » Das sind Frauen des Adels?«
    »Keineswegs«, sagte Fulvia und kicherte. »Das sind Huren. Wohlgemerkt, die hübschesten und kostspieligsten, die Rom zu bieten hat.«
    Allmählich begriff Giulia, welche Art Fest dort gefeiert wurde. Doch verstand sie nicht, warum Kardinäle und Bischöfe bei diesem Treiben mitmachten.
    Just in diesem Augenblick änderte sich der Takt der Musik. Die Musiker spielten nun einen schnellen Dreiertakt. Als wäre dies ein musikalisches Kommando, stürmten die Gäste die Mitte des Festsaals und stellten sich gegenüber auf. Die Damen auf der einen, die Herren auf der anderen Seite. Man wartete einen Takt ab, dann begann der Tanz. Er bestand aus vier Sprüngen vom linken auf den rechten Fuß, wobei ein Fuß jeweils nach vorn gestreckt wurde. Beim fünften Schritt führten sie den Fuß nach hinten und berührten damit schräg hinter sich den Boden. Nun begann alles von vorn. Dabei drehten sich einzelne Paare umeinander, trennten sich wieder und schritten nebeneinander her, wie bei einer Parade.
    »Wie heißt dieser Tanz?«, wollte Giulia wissen.
    »Das ist eine Gaillarde«, erklärte Fulvia.
    Die Musik wurde lauter, der Tanz strebte seinem Höhepunkt zu. Die Tänzer bildeten einen großen Kreis und vollführten lachend eine Abschlussparade. Dann applaudierten sie den Musikern, die nun wieder leisere Klänge hören ließen, und verließen die Tanzfläche. Unverzüglich eilten Diener herbei, um die erschöpften Tänzer zu versorgen.
    Eine

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