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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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schmalen Wolken. Um sie herum standen verschieden große Holzkisten. Dazwischen lagen Kanonenkugeln, Fässer mit Schießpulver und Gewehrkugeln, einige Säcke Getreide und offene Kisten mit Gemüse und Äpfeln. Hinter einer der größeren Kisten suchten sie Schutz.
    »Was waren das eben für seltsame Geräusche?«, fragte Giulia.
    Fulvia deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Dort drinnen? Die Kerker werden noch immer genutzt.«
    Giulia erschrak. »Willst du damit sagen, wir sind soeben an eingekerkerten Menschen vorbeigelaufen?«
    »Denk nicht weiter darüber nach«, riet Fulvia. Sie deutete zu einer Rampe, die spiralförmig aufwärts führte. »Weiter!«, sagte sie und rannte los, machte jedoch gleich wieder kehrt. »Wachen!«, raunte sie Giulia zu.
    Schon hörten sie zwei Gardisten. Sie unterhielten sich leise und lachten. Giulia spähte um die Kiste herum und sah, wie sich die beiden mit geschulterten Musketen langsam entfernten.
    »Jetzt«, sagte Fulvia und stürmte die Rampe hoch. Giulia hatte Mühe, Schritt zu halten. Sie glaubte, das Klacken ihrer Schuhe wäre bis in den Petersdom zu hören.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie hinter einer Mauer Schutz suchen konnten. Giulia lugte über die Mauer und entdeckte zwei weitere Innenhöfe, die etwa zwanzig Fuß höher lagen als der, aus dem sie gekommen waren.
    »Hier müssen wir besonders vorsichtig sein«, sagte Fulvia. »Auf dieser Plattform sind die Wachen der Engelsburg untergebracht. Siehst du das Gebäude dort vorn?«
    Giulias Blick folgte Fulvias ausgestrecktem Arm zu einem quadratischen Bauwerk aus Stein. Es mochte dreißig Fuß breit und fünfzehn Fuß hoch sein. Aus einem Dutzend Fenster drangen Licht und Gelächter. Auf dem Gebäude entdeckte sie drei Wachen zwischen den Zinnen. Zwei mächtige Kanonen ragten neben ihnen hervor in Richtung Stadt.
    »Daran müssen wir vorbei«, sagte Fulvia.
    »Gibt es keinen anderen Weg?«, fragte Giulia.
    Fulvia schüttelte den Kopf. »Wenn wir uns dicht an der Wand halten, können sie uns nicht sehen.« Sie griff an ihr Gewand und lachte. »Wie gut, dass wir schwarz tragen.«
    Giulia war keineswegs zum Scherzen aufgelegt. »Welche Strafe erwartet uns, wenn sie uns an diesem Ort aufgreifen?«
    »Denk nicht darüber nach«, meinte Fulvia.
    Giulia dankte ihr mit einem schiefen Grinsen.
    Je näher sie der Wache kamen, desto lauter wurden die Rufe und das Lachen. Offenbar hielt man sich drinnen mit einem Würfelspiel bei Laune. Dann war das erste Fenster erreicht, und sie mussten sich bücken, um ungesehen vorwärts zu kommen.
    Plötzlich öffnete sich die Tür zum Wachhaus, und ein Schatten tauchte auf. Die Schwestern blieben vor Schreck erstarrt stehen.
    Eine dröhnende Stimme erklang: »Ihr betrügt doch alle! Aber ohne mich!«
    »Hab dich nicht so, Georg!«, tönte eine zweite Stimme. Andere Männer lachten. »Schau her! Ich habe hier noch ein Fässchen. Gewiss willst du nicht, dass wir den schönen Wein ganz allein trinken.« Wieder lachten die Männer.
    Der Gardist in der Tür fluchte, der Schatten wurde kleiner, und schließlich fiel die Tür zu.
    Giulia atmete auf.
    »Nur nicht zögern«, flüsterte Fulvia. »Weiter!«
    Sie eilten an dem Wachhaus entlang und folgten einer Biegung. Dahinter blieben sie stehen.
    Fulvia zeigte nach oben. »Siehst du das?«
    Ein quaderförmiges Gebäude thronte auf der Spitze der Engelsburg. Darauf stand der zehn Fuß hohe Bronzeengel, der der Burg ihren Namen gab. »Ja«, sagte Giulia. »Was ist das?«
    »Das Ziel unseres kleinen Ausflugs«, erklärte Giulia und erklomm eine schmale Treppe, die an den Zinnen entlang auf einen kleinen Weg zu dem hell erleuchteten Quader führte.
    Sie mussten sich hinter einer Kanone verstecken, um nicht zwei Wachen in die Arme zu laufen. Als diese vorüber waren, hielt Fulvia noch einen Augenblick inne. »Bis hierher war es ein Kinderspiel«, sagte sie. »Wenn wir dort drinnen sind, müssen wir allergrößte Vorsicht walten lassen. Ganz gleich, was du dort siehst oder hörst: Bleib ruhig! Würde man uns an diesem Ort an diesem Tag aufgreifen, der Tod wäre uns gewiss.«
    Giulia überlegte noch, ob sie nicht vielleicht besser zurückgehen sollten, da zog Fulvia sie schon hinter sich her.
    Vor dem Eingang standen zwei Gardisten auf ihrem Posten. Im Schutz der Dunkelheit erreichten sie ein offenes Fenster in der Seitenwand und stiegen hindurch. Sie fanden sich auf einem hell erleuchteten Flur wieder, der im Bogen nach links und

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