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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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war, die Einsamkeit, die sie jeden Tag spürte, die Kälte der Menschen an diesem Ort. Sie wollte dies alles nicht mehr. Sie wollte nicht mehr in Rom sein, sie wollte nicht mehr dem Oberhaupt der Christenheit dienen. Sie wollte zurück nach Santa Annunziata. Zurück zu ihren geliebten Schwestern und zu Mutter Rufina. Sie wollte den Armen helfen, im Kräutergarten arbeiten, Pilze sammeln und beten. All das, was sie bisher verdrängt hatte, fiel auf sie wie ein schwarzer Schatten und schien sie vollkommen zu bedecken – und sie weinte.
    Plötzlich fühlte Giulia eine Hand auf ihrem Bein. Sie sah auf und durch die Tränen erkannte sie Pippo, der ihr einen Strauß dunkelroter Rosen entgegenhielt.
    »So schöne Rosen«, sagte Pippo. »Nicht mehr traurig sein.«
    Giulia nahm die Rosen und drückte sie fest an sich. »Ach, Pippo«, schluchzte sie und fiel ihm um den Hals. Es tat gut, das warme Gesicht an ihren Wangen zu spüren. Eine Weile saß sie schluchzend vor Rührung und Trauer neben Pippo auf dem sandigen Boden. Er strich ihr so vorsichtig über Kopf und Haar, als hätte er Angst, ihr wehzutun.
    »Rom ist kein Ort für dich«, sagte Fulvia irgendwann. »Du musst fort von hier.«
    Giulia sah auf. Die Sonne trocknete ihre Tränen. »Ich gehe zurück nach Santa Annunziata«, sagte sie. Ihre Stimme klang nicht mehr so zittrig. »Doch erst, wenn ich den Heiligen Vater in Sicherheit weiß.«
    »Das wird er erst in seiner Totengruft in Santa Maria Maggiore sein«, erwiderte Fulvia.
    »Sprich nicht so von Seiner Heiligkeit!«, ereiferte sich Giulia.
    Betreten sah Fulvia zu Boden. »Verzeih«, sagte sie dann. Sie faltete die Hände. »Und doch habe ich recht. Solange er lebt, ist der Heilige Vater in Gefahr. Er hat zu viele Feinde in Klerus und Adel, die ihm nach dem Leben trachten.«
    »Er scheint so krank zu sein«, sagte Giulia. »Warum lässt man ihn nicht einfach in Ruhe seinen letzten Weg gehen?«
    »Kranke können genesen«, sagte Fulvia. »Und sie besitzen die schlechte Angewohnheit, nicht zu sterben, wenn andere es von ihnen erwarten.«
    Giulia nickte. »Was sollen wir tun?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Fulvia, »dass die Attentäter einen erneuten Anschlag auf das Leben des Heiligen Vaters wagen. Gewiss ist ihnen längst bekannt, dass er eine letzte Reise in seine Heimat antreten will. Und auf dieser Reise versuchen sie es ein weiteres Mal. Das ist gewiss.«
    »Glaubst du, wir können es noch einmal verhindern?«, fragte Giulia.
    »Wir sprechen zu gegebener Stunde mit Capitano Geller«, sagte Fulvia. »Er weiß, was zu tun ist. Und zu guter Letzt bist du im Gefolge des Papstes. Du und der Capitano – ihr könnt das Leben Seiner Heiligkeit auf dem Weg in die Mark Ancona retten.«
    Giulia ließ die Worte auf sich wirken. Sie dachte an Geller, diesen mutigen, entschlossenen Hauptmann der Schweizergarde. Und während ihre Gedanken um diesen Mann kreisten, erkannte sie, dass sie ihn liebte …

19
    Wenige Tage später, an einem lauen Abend, saß ein Mann in einer Taverne an der Piazza Santa Maria im Viertel Trastevere. Er orderte Wein, Brot und Käse, aß und trank langsam und genussvoll. Er zog seinen schwarzen Hut mit der breiten Krempe tief ins Gesicht und wartete.
    Ein Dutzend Gäste gaben sich hier ein Stelldichein – Trunkenbolde, Huren und andere zwielichtige Gestalten. Die Luft war erfüllt von Gelächter, Schweiß, lüsterner Gier und Gewürzen. In einer Ecke stritten zwei betrunkene Spieler um die Würfel. Am Tisch daneben saßen zwei Juden, zu erkennen an den halbkugelförmigen gelben Hüten mit breiter Krempe und einem Knauf auf der Spitze. Vermutlich waren es Kaufleute.
    Der einsame Gast beobachtete die Gesellschaft aufmerksam. Hin und wieder überprüfte er den Sitz von Pistole und Dolch unter seinem schwarzen Umhang.
    Zu später Stunde öffnete sich die Tür, und ein unscheinbar gekleideter Mann trat ein. Sein Blick wanderte durch die Taverne, bis er auf den schwarz gekleideten Gast fiel. Er ging zu ihm hinüber und setzte sich an dessen Tisch.
    »Ihr kommt spät, Eminenz«, sagte der Wartende.
    »Nenn mich nicht Eminenz, Carbone!«, raunte der verkleidete Kardinal.
    »Wie Ihr wünscht«, sagte Carbone ohne Regung in seinem kantigen Gesicht.
    Der Kardinal sah sich um, doch niemand schien mitgehört zu haben. »Hör mir zu«, sagte er, und Carbone rückte ein Stück näher heran. »Es ist an der Zeit. Noch heute Nacht entledigen wir uns Pozzis.«
    Mitten in die Unterredung hinein platzte der Wirt, ein

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