Die Tochter des Kardinals
Hühnerkäfige befestigt waren, zweihundert Gardisten zu Fuß und zu Pferde sowie mindestens einhundert Diener füllten einen Großteil des Platzes aus.
Direkt vor den Stufen standen zwei Kardinäle und drei Bischöfe in ein Gespräch vertieft, ein Stück weiter unterhielten sich die Kutscher. Die Diener hielten sich in gebührendem Abstand von den hohen Herrschaften in der Mitte des Platzes auf. Dann entdeckte sie Capitano Geller auf seinem Pferd an der Spitze der Gardisten. Er trug die volle Rüstung, bestehend aus goldenem Brustharnisch, goldenen Arm-und Beinschützern und dem prachtvollen glänzenden Helm mit weißer Feder. Sie lief die Treppe hinab auf den Capitano zu.
Als Geller sie sah, stieg er vom Pferd. »Schwester Giulia!« Er lächelte und verneigte sich. »Euer Anblick ist reizender als die aufgehende Sonne.«
Giulia erwiderte das Lächeln. Ihre Wangen glühten rosig. »Hat Kardinal Carafa mit Euch gesprochen, Francesco?«, sagte sie schnell, um ihre Verlegenheit zu überspielen.
»Nein«, antwortete Geller. »Doch noch gestern Abend gab er die Anweisung, alle Gardisten, die für die Reise ausgewählt worden waren, zu ersetzen. Habt Ihr eine Ahnung, was den Kardinal zu dieser Entscheidung bewogen hat, Schwester?«
Giulia fiel ein Stein vom Herzen. Folglich hatte Carafa Pippos Hinweis ernst genommen. Nur wollte sie Geller in diesem Augenblick nichts von Pippos wahrer Natur erzählen. Obwohl sie Pippos Einverständnis dazu hatte, wollte sie einfach nicht, dass mehr Menschen als nötig davon erfuhren. Die Gefahr war gebannt, nun sollte er selbst entscheiden, wem er sich offenbarte. »Es gab wohl den Verdacht, einer der Gardisten plane einen Anschlag auf das Leben des Heiligen Vaters«, sagte sie.
Geller fiel die Kinnlade herunter. »Einer meiner Männer?«, fragte er. »Dabei kann es sich nur um einen Irrtum handeln.«
Giulia zuckte mit den Achseln. »Ich denke, Kardinal Carafa wollte nur ganz sichergehen.« Sie sah sich um. »Wann brechen wir auf?«
»Sobald Seine Heiligkeit erscheint«, sagte Geller.
In diesem Augenblick tönten Fanfaren über den Platz. Schon bogen zehn Gardisten in silberstrahlenden Plattenpanzern zu Pferde um die Ecke des Petersdoms auf den Platz ein. Dahinter marschierten rund zwei Dutzend Diener. Dann erblickte Giulia die pompöse Sedia gestatoria . Die Sänfte des Papstes bestand aus einem reich verzierten Thronsessel, der auf einer Plattform stand. Zu beiden Seiten befanden sich armdicke Stangen, die auf den Schultern von sechs Männern ruhten, den hochgeschätzten Sediari pontifici . Die Sediari trugen lange rote Gewänder aus Damast. Links und rechts der Sedia stolzierten Diener, die mit hoch erhobenem Haupt und ernster Miene die Flabelli trugen, große Fächer aus weißen Federn. Und auf dem Thron saß der Mann, dem sich nun alle Blicke zuwandten: Papst Sixtus V. Er posierte auf dem Thron, als hätte ein Maler ihn porträtiert. Gekleidet war er in eine weiße Soutane mit weißer Mozzetta , auf der Brust das an einer goldenen Kette befestigte Pectorale . Darüber trug er einen langen roten Umhang. Auf dem Kopf saß die glanzvolle weiße Tiara knapp über den buschigen weißgrauen Augenbrauen.
Im Gleichschritt trugen die Sediari den Thron in die Mitte des Petersplatzes. Wie auf ein geheimes Kommando stiegen die Geistlichen in die Kutschen. Geller gab der Garde den Befehl zum Aufsitzen. Hinter den Reitern nahmen die Fußsoldaten Aufstellung. Die Diener sammelten sich. Gazetti und Giulia stiegen in die päpstliche Kutsche, die der Heilige Vater nutzen würde, wenn Wind und Wetter die Reise auf der Sedia nicht mehr zuließen oder er aus anderen Gründen dies wünschte.
Geller ritt an die Spitze des Trosses. Ihm folgten rund dreißig Gardisten zu Pferde und zehn zu Fuß. Dahinter reihte sich die Hälfte der Dienerschaft ein und schließlich die mächtige Sedia mit dem Papst. Dann kamen die Kutschen, erneut Gardisten, die Pferdewagen und Ochsenkarren, die restliche Dienerschar und zum Schluss die übrigen Gardisten. Geller blickte sich um. Als alles bereit war, hob er die Hand und ließ sie wieder sinken. Langsam setzte sich der päpstliche Hofstaat in Bewegung.
Giulia beobachtete Gazetti ihr gegenüber, der gleich wieder die Nase in Dokumente gesteckt hatte. »Wann werden wir Grottammare erreichen, Monsignore?«, fragte sie.
Gazetti sah auf. »So Gott will, in zwei Wochen, Schwester«, antwortete er und setzte das Studium der Schriftstücke fort. Dabei verzog er hin und
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