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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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an, ihnen zu folgen, aber der Papst hielt ihn zurück. »Ihr habt gewiss zu arbeiten«, sagte er mit Blick auf die Dokumente in Gazettis Händen und betrat das Zelt. Giulia folgte ihm.
    Dort war es angenehm kühl. Die emsigen Diener hatten bereits ein gemütliches Kanapee, einen Kastensitz mit hoher Lehne sowie einen breiten Tisch aufgestellt. Auf dem Tisch standen eine Karaffe Wasser und zwei Gläser. Giulia goss Wasser in ein Glas und reichte es dem Papst, der sich ächzend auf dem Kanapee niederließ. Giulia sah ihn an.
    »Wohl bemerken Wir die Sorge in deinem Blick«, sagte er, nachdem er das Glas in einem Zuge geleert hatte.
    Giulia schenkte nach. »Ich kann meinen Kummer kaum verhehlen, Euer Heiligkeit«, gab sie zu.
    Ein schwaches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er nestelte mit den Fingern am Verschluss seines Umhangs. »Befrei Uns von diesem fürchterlichen Ding.«
    Giulia öffnete die Schleife unter dem Hals des Papstes und legte den Umhang auf den Sitz.
    Befreit atmete der Papst auf. »Nun sag, was dich grämt«, bat er.
    Giulia errötete. »Euer Heiligkeit«, stammelte sie. »Es steht mir nicht zu, Euch …«
    »Sprich!«
    »Ich sorge mich«, sagte Giulia, »dass Eure Heiligkeit diese Reise womöglich nicht übersteht. Wir sind kaum einen halben Tagesmarsch von Rom entfernt, und der Weg scheint Euch sehr anzustrengen.«
    Der Heilige Vater lachte heiser auf. »Ich vertrete Christus, unseren Herrn, auf Erden«, sagte er. »Und wanderte der Heiland nicht vom See Genezareth nach Kapharnaum? Von Kapharnaum nach Magdala, Bethsaida und Chorazim? Ging er nicht in rastloser Wanderschaft, das heilige Wort Gottes auf den Lippen und im Herzen, nach Nazareth, und von dort nach Kana und Nain? Er durchstreifte das karge Land bei Gerasa, Tyros und Sidon. Und haben Johannes, Jakobus oder der gute Simon Petrus zu ihm gesagt, er solle innehalten und sich schonen?«
    »Mit Verlaub, Euer Heiligkeit«, sagte Giulia, »aber Christus war jung und kräftig.«
    Der Papst wollte sich erheben, sackte aber wieder zurück auf das Kanapee. »Vielleicht hast du recht«, sagte er, »und Wir sind ein törichter alter Narr mit nichts als Flausen im Kopf.«
    Giulia kniete vor ihm nieder. »Bei Gott«, hauchte sie. »Das seid Ihr ganz gewiss nicht, Euer Heiligkeit. Euer Wunsch, die geliebte Heimat noch einmal zu sehen, verleiht Euch ungeahnte Kräfte. Doch die Reise ist noch lang, und Rom erwartet Euch lebendig und vor allem gesund zurück. Die Menschen brauchen Euch.«
    Gütig lächelte er. »Was sollen Wir deiner Meinung nach tun?«, fragte er müde. »Umkehren?«
    Giulia schüttelte den Kopf. »Mitnichten, Euer Heiligkeit«, sagte sie. »Ich bitte Euch nur, fortan in der päpstlichen Kutsche zu reisen. Auf der Sedia seid Ihr Wind und Sonne ausgesetzt. Beides schwächt Euch zu sehr.«
    Der Heilige Vater nahm Giulias Hand in seine großen, warmen Hände. »Gott hat dich schon im Augenblick deiner Geburt gesegnet«, sagte er. »Das sehen wir so klar wie Moses den heiligen Berg Sinai. Gut, wir reisen fortan in der Kutsche.«
    Giulia fühlte große Erleichterung. »Ich danke Euch, Euer Heiligkeit«, stieß sie hervor.
    Drei Diener betraten das Zelt. Einer hielt ein silbernes Tablett mit einem gebratenen Hühnchen darauf, ein anderer brachte einen Korb mit Brot und Käse, der dritte trug einen Krug Wein. Sie stellten alles auf dem Tisch ab und verließen das Zelt.
    Giulia half dem Papst auf die Beine und stützte ihn, bis er sich auf dem Stuhl niederlassen konnte. Bedächtig, jedoch mit Appetit, begann er, das Mahl einzunehmen.
    Danach rülpste und furzte er, und ein befreiendes Lächeln trat auf seine Lippen.
    Giulia streckte den Kopf aus dem Zelt und gab Anweisung, die päpstliche Kutsche vorfahren zu lassen. Kaum war diese vorgefahren, half sie dem Papst aus dem Zelt. Gazetti eilte herbei, warf Giulia einen dankbaren Blick zu und führte gemeinsam mit ihr den Heiligen Vater in die Kutsche.
    Kurz darauf gellten wieder Kommandos. Die Diener verstauten in aller Eile, was sie zuvor von den Karren genommen hatten. Der Tross setzte die Reise fort.
    Da die Sedia auf Geheiß des Papstes nicht nach Rom zurückgesandt wurde, kam die päpstliche Reisegesellschaft auch jetzt nicht schneller voran. Drei Tage später erreichten sie Tivoli. Danach streiften sie Vicovaro, Licenza und Orvinio. Vorbei an den Hängen zwischen den Monti Sabini und dem Monte Nuria drangen sie in karges, unberührtes Land vor. Tagelang bezwangen sie Hügel, Täler und

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