Die Tochter des Kardinals
legte seinen Helm daneben. Sein Blick glitt über das silbrige Wasser. »Einen schönen Ort habt Ihr da aufgetan, Schwester.«
Giulia nickte. »Es ist himmlisch ruhig hier«, sagte sie, ohne Geller anzusehen.
»Oh!« Er hob eine Hand. »Ich wollte Euch nicht stören. Es ist besser, ich gehe wieder.«
»Nein, nein«, beeilte sich Giulia zu sagen. »Bitte, bleibt doch und setzt Euch zu mir.«
Der Fels bot ausreichend Platz für zwei, so ließ Geller sich neben Giulia nieder.
Eine Zeitlang saßen sie schweigend nebeneinander und schauten über das Wasser. Giulia genoss Gellers Nähe, und sie musste sich gestehen, dass er der einzige Mensch war, den sie in diesem Augenblick in ihrer Nähe wünschte.
»Fühlt Ihr Euch ein wenig besser, Schwester?«, fragte Geller irgendwann.
Giulia wusste, worauf er anspielte. »Der Tod dieser armen Menschen war unnötig. Und noch mehr: Er war in höchstem Maße unchristlich.«
»Sie waren Feinde der Kirche«, sagte Geller.
Giulia sah ihn entsetzt an. »Sie waren Menschen, Francesco!«, rief sie. »Und sie glaubten an denselben Gott wie Ihr und ich.«
»Ich verstehe Euch«, sagte Geller in sanftem Ton. »Wir leben in einer Zeit des Wandels. Angst breitet sich aus. Die Angst vor einem großen Krieg zwischen Katholiken und Protestanten. Ihr müsst dem Heiligen Vater vergeben. Er glaubt, in bester Absicht zu handeln.«
Giulia beruhigte sich wieder. »Wer bin ich, dass ich dem Heiligen Vater irgendetwas zu vergeben hätte?«
»Er achtet Euch sehr«, sagte Geller. »Oft hörte ich ihn von Euch sprechen. Dabei waren seine Worte stets voller Respekt und Zuneigung.«
Giulia lächelte. »Ich danke Euch«, sagte sie. Sie wollte nicht weiter über den Vorfall reden, so fragte sie: »Wann, glaubt Ihr, werden wir in Grottammare sein?«
Geller überlegte. »Wir haben die Hälfte des Weges hinter uns«, sagte er. »Ihr sehnt Euch nach Rom zurück?«
»Vielleicht«, sagte Giulia. »Ihr Euch nicht?«
»Nun«, sagte Geller gedehnt, »die Reise ist beschwerlich. Ich schlafe in einem Zelt, das nachts eher an eine Eishöhle erinnert. Jeden Tag die gleichen Mahlzeiten, die gleichen Moskitos, die gleiche Hitze. Könnte es in Rom etwas Besseres für mich geben, Schwester?«
Giulia lachte. »Womöglich wartet eine schöne Tochter Roms auf Eure Rückkehr?«
»Mitnichten«, sagte Geller.
»Gibt es niemanden, dem Euer Herz gehört?«, fragte Giulia weiter.
Geller sah zu Boden. Im schwachen Schein des Mondes wirkte er auf einmal schwermütig. »Ihr wisst, wem mein Herz gehört«, flüsterte er.
Giulia schwieg. Sie wollte unbedingt ihren Namen aus Gellers Mund hören. Doch nun, da sie spürte, dass dieser Augenblick näher rückte, überkam sie Angst.
»Es gibt nur die Eine, an die ich unentwegt denke«, fuhr Geller fort. »Ihr allein gehört mein Herz, meine Seele, meine Liebe.«
»Bitte«, hauchte Giulia. »Sprecht nicht weiter, Francesco.«
Geller wandte sich Giulia zu. »Ihr wisst doch längst, von wem ich rede. So sagt mir, dass Ihr mich auch liebt. Sagt, dass ich hoffen kann. Sagt mir, dass meine Träume wahr werden könnten.«
Die Angst breitete sich in Giulia aus wie das Feuer in einem Heuschober. Sie sprang auf. »So dürft Ihr nicht reden!«, rief sie aus. »Ich bin eine Nonne, eine Braut Christi. Ich kann niemals die sein, die Euch in Euren Träumen begegnet.« Tränen strömten aus ihren Augen. Es waren Tränen der Verzweiflung, denn Gott allein wusste, wie sehr sie sich danach sehnte, Geller um den Hals zu fallen, um ihm ihre Liebe zu gestehen.
Geller stand auf und breitete die Arme aus. »Giulia …«, sagte er.
»Lasst mich!«, schluchzte sie. Wimmernd stolperte sie an Geller vorbei, zurück zum Kloster. Dort flüchtete sie in ihr Zelt und weinte, bis der Schlaf sie erlöste.
23
Z UR SELBEN Z EIT IN R OM
Am dunklen Ufer des Tiber standen zwei Männer und blickten auf das schwarze Wasser, das träge dahinfloss. Sie trugen schwarze Hüte und Umhänge. Ihre Pferde grasten hinter ihnen. Einer der Männer war ein verkleideter Kardinal, der andere hieß Carbone.
»Carbone«, sagte der Kardinal. »Es ist an der Zeit. Der Papst befindet sich auf einer weiten Reise und kehrt erst in einigen Wochen nach Rom zurück.«
»Ihr habt recht«, sagte Carbone. »Die Zeit könnte günstiger nicht sein.«
Der Kardinal nickte. »Nachdem Pozzi nicht mehr unter uns weilt, gilt es nun, Carafa zu vernichten.«
Carbone knurrte. »Ich kann es kaum erwarten«, sagte er. »Wie lautet Euer
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