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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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so wie Unser Antlitz sich sehnte, von dieser Sonne, die kaum an einem Ort strahlender scheint, gewärmt zu werden. Nun sind Wir hier. Der Herr im Himmel hat in Seiner grenzenlosen Güte Unseren innigsten Wunsch erfüllt.«
    »Euer Heiligkeit«, sagte Nardi, »wohl ist mein Haus bescheiden, doch wäre es eine Ehre für mich und mein Weib, würdet Ihr es für die Zeit Eures Aufenthaltes bewohnen.«
    »Gewiss wünschen Euer Heiligkeit, auf geweihtem Boden zu ruhen«, warf Toldo ein. »Selbstverständlich stehen Euch Kirche und Pfarrhaus zur Verfügung.«
    »Signori!«, sprach Geller laut dazwischen. »Aus Gründen der Sicherheit wird Seine Heiligkeit in unserem Lager außerhalb des Dorfes Quartier beziehen.«
    Voller Zorn starrten Nardi und Toldo einander an.
    »Wir wollen in die Kirche gehen!«, sagte der Papst mit dröhnender Stimme.
    Toldos Kopf ruckte herum. »Gewiss, Euer Heiligkeit. Ihr werdet sie noch so erkennen, wie sie früher einmal war. Leider fehlte der Gemeinde bislang das nötige Geld, um sie in angemessener Weise pflegen zu können.« Er neigte sein Haupt.
    »Wir lassen Euch das nötige Geld zukommen«, versprach der Heilige Vater und setzte sich in Bewegung.
    Bis zur Kirche waren es rund einhundert Schritte. Und bei jedem Schritt überschlugen sich Nardi und Toldo mit Lobpreisungen des Heiligen Vaters und gleichzeitigen Hinweisen auf die finanzielle Bedürftigkeit von Dorf und Gemeinde. Doch der Papst schien ihnen kein Gehör mehr zu schenken. Sein Blick kreiste unentwegt. Hier entdeckte er am Ende einer Gasse eine Wiese, auf der er als Knabe Löwenzahn gestochen hatte, dort erspähte er den Wald, in dem er dereinst Feuerholz gesammelt oder die Schweine durchgetrieben hatte.
    Die kleine Kirche war in der Tat heruntergekommen. Auf dem Kirchturm fehlten Ziegel; über dem Schiff hingen morsche, teilweise von Winden und Stürmen zerborstene Balken, und an der Glocke fehlte das Seil. Die beiden grauen Stufen vor der Kirchentür waren brüchig, und um das gesamte Gebäude herum wucherte Unkraut.
    Nardi öffnete die Tür und machte eine einladende Handbewegung.
    »Wir gehen allein«, sagte der Heilige Vater auf der Schwelle. Er sah Giulia an. »Nur du begleitest Uns, liebes Kind.«
    Giulia ging an Nardi und Toldo vorbei und folgte dem Papst in das kühle Innere der Kirche. Sie spürte die neidvollen Blicke des Bürgermeisters und des Reverendos in ihrem Rücken. Bedächtig schloss sie die Tür; nun war sie mit dem Heiligen Vater allein.
    Zu beiden Seiten stand zehn Reihen uralter Bänke, die von unzähligen Holzwürmern zerfressen waren. Vor ihnen ragte der Altar auf. Dahinter stand ein großes Kreuz mit der Figur Jesu, die ein recht minderbegabter Künstler vor langer Zeit erschaffen hatte. Durch zum Teil zerbrochene Butzenscheiben, die ein Bildnis der Jungfrau Maria zeigten, fiel Licht auf das Kreuz und in die Apsis.
    Hinter dem Papst durchschritt Giulia die Kirche. Vor dem Altar bekreuzigten sie sich, knieten nieder und beteten. Nach dem Gebet nahm der Papst auf der ersten Bank Platz und bedeutete Giulia, sich neben ihn zu setzen.
    Eine Weile saßen sie schweigend da. Während der Blick des Papstes auf den Gekreuzigten gerichtet war, fragte sich Giulia, wie lang Seine Heiligkeit in der Kirche zu verweilen gedachte. Ihre Kehle war ausgedörrt, und die moderige Luft in diesem feuchten Gemäuer verursachte ihr Hustenreiz.
    »Im Angesicht dieses Kreuzes«, sagte der Papst plötzlich, »sind Wir getauft worden. Hier haben Unsere Eltern vor Gott den Heiligen Bund der Ehe geschlossen. Dort vorn standen die Särge meiner Schwester, meines Bruders – und meiner Mutter. Ihr Name lautete Marianna.«
    »Ein schöner Name, Euer Heiligkeit«, sagte Giulia verlegen. Als der Papst schwieg, sah sie ihn an und entdeckte Tränen, die ihm über die Wangen liefen. »Euer Heiligkeit? Ist Euch nicht wohl?«
    Da schlug der Heilige Vater die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich. »Oh Herr, vergib mir!«, schluchzte er. »Herr, lass mein Bekenntnis und meine Reue vom Heiligen Geist beseelt sein. Mein Schmerz sei ehrlich und tief. Und wenn ich in Demut die Schuld der Vergangenheit betrachte und mein Gedächtnis ehrlich reinige, dann führe mich auf den Weg wahrer Umkehr.«
    Giulia fühlte sich hilflos. Was war nur in den Heiligen Vater gefahren? Und was sollte sie nun tun?
    »Herr«, fuhr der Heilige Vater weinend fort, »Lass mich auf Jesus blicken, der unser Herr ist und unser Friede. Gib, dass ich bereuen kann, was ich in

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