Die Tochter des Kardinals
Plan?«
»Carafa besitzt neben seiner unstillbaren Gier nach Macht die unersättliche Begierde nach schönen Frauen«, erklärte der Kardinal. »Vornehmlich denen reicher Adliger. Seine zügellose Leidenschaft soll sein Verhängnis sein.«
»Gewiss gibt es jemanden, den Ihr im Auge habt«, sagte Carbone.
»Ihr kennt mich zu gut, Carbone«, sagte der Kardinal anerkennend.
Carbone antwortete nicht. Stattdessen rückte er ein Stück näher an den Kardinal heran.
»Unter den Baronen Roms gibt es einen, der gewiss als Carafas erbittertster Gegner bezeichnet werden kann«, sagte der Kardinal. »Der Name dieses Mannes lautet Conte Patrizio Mattei. Seit langem verspricht Carafa dem Conte große, ertragreiche Güter der Campagna für dessen Dienste im Kampf gegen die Reformation. Selbstverständlich hält Carafa sich nicht im Geringsten an seine Versprechen. Mattei und mit ihm viele andere Barone Roms nehmen Carafa diesen Wortbruch recht übel. Hinzu kommt, dass der Conte ein äußerst eifersüchtiger Geselle ist; und seine Frau eine wahre Schönheit.«
»Ich glaube zu verstehen«, sagte Carbone. »Ihr wollt Carafa mit der schönen Contessa bekanntmachen, damit der Conte ihn in seiner zügellosen Eifersucht tötet.«
»Carbone, Ihr überrascht mich stets aufs Neue«, sagte der Kardinal. »Ich sehe eines Tages Großes auf Euch zukommen.«
»Ihr seid zu gütig«, entgegnete Carbone.
»Es ist Eure Aufgabe«, fuhr der Kardinal fort, »Carafas Augenmerk auf die Contessa zu lenken.«
»Dabei werde ich kaum leichtes Spiel haben«, wandte Carbone ein.
Der Kardinal kicherte. »Sie wird sich Carafa nicht aus freien Stücken hingeben«, sagte er. »Doch höre mir zu …«
In wenigen Worten erläuterte der Kardinal seinem Begleiter den Plan. Dann trennten sich ihre Wege, während die schwarzen Wasser des Tiber weiter stromabwärts flossen.
Torrita, Ceppo, Valle Castellana – das waren die Namen der Orte, an denen die päpstliche Reisegesellschaft in den folgenden zwölf Tagen vorüberzog. Als Giulia die schneebedeckten Gipfel des Monte dei Fiori vor sich aufragen sah, wusste sie, dass sie der Heimat ganz nah war. Und als sie Ascoli und Acquaviva hinter sich ließen, umwehte sie die salzig herbe Luft der Adria.
Die letzte Nacht vor der Ankunft in Grottammare verbrachten sie auf einer großen Bergwiese. Die Laune des Papstes war bestens, er schien vor Kraft zu strotzen. Seine Begleiter, ob Geistlicher, Soldat oder Diener, waren dagegen am Ende ihrer Kräfte. Kaum einer redete noch, das letzte Lachen war irgendwo zwischen Amatrice und Venarotta zu hören gewesen. Die Pferde, abgemagert und erschöpft wie ihre Reiter, ließen ebenso den Kopf hängen wie diese.
Dann, nach dreiunddreißig heißen, kalten und stets qualvollen Tagen, erreichten sie Grottammare, den Geburtsort Seiner Heiligkeit Papst Sixtus V.
Grottammare erwies sich als trostloses, winziges Fischerdorf. In jedem Winkel stank es nach Fisch, Seetang und den verfaulenden Innereien der Fische. Die ärmlichen Fischerhütten benötigten dringend Ausbesserungen an Dächern und Wänden, die Boote und Netze erweckten den Anschein, als wäre man damit bereits zu Zeiten Julius Cäsars auf Fang gegangen.
Und der Ort war auf die Ankunft von über zweihundert Männern nicht vorbereitet, noch viel weniger auf das Erscheinen Seiner Heiligkeit höchstselbst.
Zuerst erblickten weit aufgerissene Kinderaugen auf einer Düne außerhalb des Dorfes den gewaltigen Tross, der da ihr Dorf heimsuchte, das doppelt so viele Menschen zählen mochte wie der heranrückende Tross. Vier mutige Knaben lösten sich von ihren Freunden und gingen Capitano Geller entgegen, der wie immer am Kopf des Tausendfüßlers ritt. Die anderen rannten, nach ihren Müttern schreiend, in das verschlafene Dorf. Geller stieg von seinem Pferd und lächelte den Knaben zu. Einer von ihnen streckte die Hand aus, um den glänzenden Brustharnisch zu berühren. Geller ließ ihn gewähren, und als die anderen merkten, dass ihr Freund keinen Schaden nahm, berührten auch sie das in der Sonne blitzende Metall. Geller tätschelte die Köpfe der Knaben, dann gab er das Zeichen, weiterzugehen.
In der päpstlichen Kutsche versuchte Gazetti unterdessen mit sanftem Nachdruck, den Papst daran zu hindern, sich weit aus dem Fenster zu lehnen.
»Lasst Uns, Gazetti!«, rief dieser und schlug nach den Händen des Monsignore, die an seiner schneeweißen Soutane zerrten.
»Euer Heiligkeit«, flehte Gazetti. »Ich bitte Euch!«
Papst
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