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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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am längsten kannte, schon damals, als seine Eltern noch lebten. Seine Mutter Felicia, so sagt man, sei eine schöne Frau gewesen. Er hätte ihr geglichen – als er noch jung war, noch voller Lebenslust, noch wach. Lange bevor der Krieg ihn lehrte, unnahbar zu sein. Vielleicht muss man so sein, um seine Pflichten zu erfüllen.«
    Ich zuckte mit den Schultern, aber sagte nichts.
    »Julia Aurelia ist ganz anders als er – ist dir das nicht aufgefallen?«, fragte sie da. »Ist man mit Gaetanus in einem Raum, so scheint’s mir manchmal, man würde ihn nicht spüren. Doch sie ... sie ist einfach ... da. «
    »Vielleicht«, sagte ich schnell, um das Gespräch solcherart abzubrechen.
    Doch sie hörte nicht auf zu sinnieren. »Es mag sein«, murmelte sie, »es mag sein, dass er gar nicht sie sieht ... gar nicht sie als Frau, sondern nur sich selbst, wie er sein könnte, wenn eine wie sie ihm nur ein wenig von dem fordernden, forschen Wesen einhauchen würde ...«
    Wieder zuckte ich nur mit den Schultern, doch ihre Worte bewegten mich tiefer, als ich zugeben wollte. Nachts lag ich wach, dachte darüber nach, nicht nur über Julias vermeintliche Lebendigkeit, sondern über meine. Wenn sich Gaetanus tatsächlich nach einer Frau verzehrte, die ein Leben abseits von Regeln und Pflichten verhieß – warum sah er dann sie und nicht mich? Konnte ich sein wie sie ... und wie es lernen?
    Ich war so erleichtert gewesen, sie los zu sein, doch jetzt ... jetzt fehlte sie mir plötzlich. Jetzt dachte ich an sie und wünschte, ich könnte mit ihr reden und ihr Wesen erforschen und ... und etwas von dem erhaschen, was mich Gaetanus näherbringen würde.
    Unruhig wälzte ich mich umher. Ich war nicht die Einzige, die nicht schlafen konnte. Auch unter den übrigen Sklaven schien Verwirrung zu herrschen. Es schien auf den Fluren mehr getuschelt zu werden als sonst, man sah aufgewühlte Gesichter, und manchmal hatte ich des Nachts, in jenem Schlafraum, den ich mit Thaïs und zwei weiteren Mädchen teilte, das Gefühl, mehr Schritte zu hören als sonst – Schritte, die kamen und gingen.
    Nun, mich hatten die anderen Sklaven nie sonderlich interessiert. Mein Leben war auf Gaetanus ausgerichtet. Und so beschäftigte mich noch mehr als diese Unruhe, dass er mich nun schon seit zwei Tagen nicht mehr hatte kommen lassen, damit ich ihm den Nacken massierte. Anfangs suchte ich es mir damit zu erklären, dass er vielleicht beschäftig war oder frei von Schmerzen, am dritten Tage aber begann ich in Aufruhr zu geraten. Was, wenn er mir nicht verzeihen konnte, dass ich ihm die Wahrheit über Julia gesagt hatte? – Oder zumindest das, was ich dafür hielt?
    Eines Tages schließlich weckte mich Thaïs, und ihre Augen waren rotgeweint. Sie, die ansonsten so geschwätzig war, konnte lange Zeit kein Wort sagen, mich nur schweigend anstarren, anklagend und zugleich verständnislos.
    »Was willst du?«, schnaubte ich, weil sie mich aus dem Schlaf gerissen hatte.
    »Ist es wahr, dass du etwas damit zu tun hast, Krëusa?«, stammelte sie da.
    »Wovon redest du?«, fragte ich schlaftrunken.
    »Man sagt, du hättest dem Herrn davon berichtet.«
    »Wovon?«
    Sie antwortete nicht. »O, Krëusa«, klagte sie. »Was hast du getan? Was hast du nur getan?«

Kapitel XIV.
Mittelmeer und Malta, Frühsommer 1284
    Gaspares Mutter hieß Leonora.
    Sie hatte dichtes, rotbraunes Haar, dessen Glanz und Farbe sie verstärkte, indem sie es regelmäßig in einer roten Essenz spülte, die aus der Schildlaus gewonnen wurde. Sie parfümierte sich mit Ölen, die nach Lavendel und Rosen dufteten. Um blass zu sein, rieb sie das Gesicht mit weißer Schminke aus Weizenschrot ein, und sie badete in Mandelmilch, so wie es einst Eleonore von Aquitanien gemacht hatte, desgleichen in Eselsmilch wie die alten Römerinnen, um ihre Haut geschmeidig zu halten. Ihre Zähne rieb sie mit einem kleinen Säckchen aus porösem Leinen ab, welches mit gebranntem Hirschhorn, gestoßenem Marmor und Wurzeln gefüllt war, damit sie weiß und gesund blieben.
    Gaspare erzählte Caterina von seiner Mutter, nie planmäßig, eher nebenbei, als würde der Zufall ihn zu seinen Worten verleiten, nicht die Absicht.
    Es hatte damit begonnen, dass sie ein Wort für ihn aufschrieb, auf dass sie ihm einzelne Buchstaben erklären konnte. Lange hatte sie überlegt, wie sie es am besten anstellen sollte, ihm das Lesen beizubringen. Pergament war viel zu kostbar, um es zu solchem Zwecke zu verschwenden. Jene Wachstäfelchen,

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