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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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diesem Augenblick doch erwartet hatte, stattdessen mit einem versonnenen Lächeln, dem keinerlei Verbitterung anzusehen war, jedoch – Erleichterung.
    »Was regst du dich auf?«, sprach indessen Ray fort. »Für jeden Sünder die gerechte Strafe – das ist doch, was du glaubst und willst. Nun, dann müsstest du dieser Tage doch ein fortwährendes Freudenfest feiern. Mir hat man den Rücken zu Brei geschlagen für meinen finsteren Verrat an dir, der dich in solch abscheuliche Lage brachte. Und Gaspare fällt in Ungnade bei seinem König, weil er einst so herzlos war, dich seinen Männern vorzuwerfen. Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass es doch einen Gott gibt und dass der gerecht ist?«
    Sprach’s und zuckte wieder mit den Schultern.
    Caterina setzte sich zu ihm, nicht länger aufrecht gehalten von der erregenden Erzählung, sondern plötzlich unendlich müde. Doch nun, da sie darüber schwieg, schienen sich die Eindrücke des Tages erst recht zu verknäulen.
    »Es ... es ist nicht so einfach ...«, setzte sie an, aber wusste nicht, was sie sagen wollte.
    Kurz sehnte sie sich ein wenig nach jener Leere, die sie empfunden hatte, als Akil neben ihr gebetet hatte, wohingegen sie kein Wort an Gott zu richten vermocht hatte. Keine fordernde, bedrohliche Leere war das gewesen, kein Loch, das jäh vor einem aufragt und in das man stürzen kann. Eher ein mildes, freundliches Niemandsland, zu eintönig, als dass sich dessen Erforschung lohnte. Nur zuzuhören war angeraten, kein eigenständiges Handeln und Entscheiden.
    Die jetzige Stille hingegen war beklemmend, weil fordernd. Sie schien etwas von ihr zu erwarten, vielleicht Worte, vielleicht ... Tränen, um ihre Seele von den Schrecken des Tages zu säubern.
    Doch als es ihr schon feucht in die Augen stieg, da überkam sie jene altbekannte Furcht, dass dieses reinigende Seelenwasser auch sämtlichen Morast aufwühlen könnte, der unter dem gegenwärtigen Schrecken wartete. Hastig schluckte sie die Tränen. Es schmerzte in der Kehle und ging auch nicht lautlos vonstatten. Ein leises Schluchzen erklang.
    »Hehe«, murmelte Ray da plötzlich, nicht länger gereizt, sondern sanft. »Hehe, du musst doch nicht weinen. Du hattest große Angst, als dich die fremden Männer verschleppten, nicht wahr?«
    Seine Stimme war ihr so nah, auch sein Körper. Fast konnte sie ihn spüren, und er suchte auch noch letzten Abstand zu überbrücken, indem er sich trotz seines verletzten Rückens zu ihr schob, vorsichtig, aber entschlossen, sie zu umarmen.
    Da stiegen ihr neue Tränen auf, noch heftiger und heißer als vorher. Doch wenn sie sich darein fallen ließ – wie tief würde sie wohl tatsächlich fallen? Nur in seine Arme? Warteten nicht all die Dämonen auf ein Zeichen ihrer Schwäche, warteten darauf, rücksichtslos ihre Seele zu erobern und zu zerfleischen? Und woher kam dieses fast kitzelnde Grummeln in ihrem Magen, das da auf seine Berührung antwortete, auf das Gefühl von seiner Haut, wie sie auf ihrer rieb?
    »Lass mich in Ruhe!«, fuhr sie ihn an und rückte ab.
    Ray presste die Lippen aufeinander.
    »Du darfst dich nicht bewegen!«, versuchte sie ihr Handeln zu rechtfertigen. »Deine Wunden könnten aufplatzen.«
    »Ich kann dich trösten, wann immer ich will!«, meinte er.
    »Aber ich brauche deinen Trost nicht«, erklärte sie schärfer, als sie es wollte.
    Lang blieb es still zwischen ihnen.
    »Gut so«, murmelte er schließlich. »Dann eben nicht. Aber ich, ich brauchte etwas. Dringend sogar, weil ich’s so lange nicht mehr hatte. Ein Fass Wein zum Saufen, eine Hure, die ihre Schenkel spreizt, und endlich wieder meine Freiheit, damit ich die Menschen an der Nase herumführen kann.«
    Er sprach es grimmig, vielleicht, weil er sie einfach nur schockieren und herausfordern wollte wie einst. Diese Freude wollte sie ihm nicht machen.
    »Auf diesem Schiff findest du sicher keine Hure, und das mit dem Wein würde ich sein lassen«, murmelte sie, und ihre Stimme klang wie ausgekühlt. »Soweit ich mich erinnern kann, verträgst du nicht allzu viel davon.«
    Ray schien andere Worte erwartet zu haben, Empörung oder Tadel, denn er blickte verwirrt hoch. Doch ehe er etwas sagte, huschte Akil in ihre Kammer, sanft und leise wie immer.
    »Gaspare«, murmelte er in Caterinas Richtung. »Es ist vielleicht besser, du kommst zu ihm ...«
    Sie war beim plötzlichen Erscheinen des Knaben zusam- mengezuckt. »Hat er nach mir geschickt?«, fragte sie unbehaglich.
    »Nein«, sagte Akil.

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