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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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wollte ich töten, aber die Zeit war noch nicht gekommen, sie war noch nicht reif. Ich hatte das Kämpfen nicht gelernt, also übte ich es – ich übte, indem ich genuesische Schiffe überfiel, sie ausraubte, manchmal die Mannschaft tötete oder zumindest einen Teil davon. Ich habe das nicht gern gemacht, verstehst du?
    Es hat mir keine Lust bereitet so wie Ruggiero di Loria. Aber ... aber es hat mir auch nicht leidgetan.«
    Er schüttelte den Kopf, als wollte er Erinnerungen abwehren. Es schien ihm zu gelingen, denn als er fortfuhr, war seine Stimme ausgekühlt.
    »Ich war bald bekannt als Feind der Genuesen, was widersinnig ist, denn eigentlich wollte ich mich nie an ihnen rächen ... nur an meinem Stiefvater. Doch dann begegnete ich Pere von Aragón, der glaubte, ich schlüge seine Schlacht – nicht nur jene gegen einen Stadtstaat, der war ihm schließlich gleich, sondern jene gegen Charles d’Anjou. Er sprach davon, dass er Sizilien erobern wolle. In seiner Gefolgschaft könne ich reiche Beute machen, hat er mir versprochen, dereinst ein Lehen bekommen. Weißt du was? Es war mir so gleich! Ich wollte nie Besitz! Aber zugleich wusste ich: Meine Zeit ist noch nicht gekommen, sie ist nicht reif, ich habe noch nicht zu kämpfen gelernt, wie aber könnte ich das besser als im Dienste des Königs. Und so kam es, dass Jahr um Jahr verging, ohne dass ich begann, endlich meine Rache zu üben. Ich dachte stets, ich würde warten, weil ich geduldig bin. Aber vielleicht war ich nicht geduldig – vielleicht habe ich mich nur einlullen lassen von König Peres Wohlwollen, vom Ritterlehen, das er mir in Aussicht stellte. Die Wahrheit freilich ist: Was soll ich auf Malta? Wie sinnlos lange hätte ich noch gezögert, wie sinnlos lange mich begnügt, fremde Genuesen zu meucheln ... wenn es nicht heute zu diesem ... Vorfall gekommen wäre.«
    »Du willst also nach Pisa zurückkehren, um Onorio Balbi zu töten?«
    Eine Weile hockte Gaspare still. Dann fegte jäh seine Hand durch die Luft, stürzte den Weinkelch nicht nur um, sondern schlug ihn mit ganzer Wucht vom Tisch. Rot wie Blut spritzte der Wein hoch. »Nein!«, schrie er.
    Caterina zuckte zusammen. »Aber ich dachte ...«
    »Ich will Onorio töten – aber ich will Pisa nie wiedersehen!«, zischte er plötzlich. »Ich will meine verdammte Mutter niemals wiedersehen!«
    Sie schwieg ratlos, trat schließlich näher, um seinen Gesichtsausdruck zu erforschen, daran etwas abzulesen, was Sinn in seine wirren Andeutungen bringen konnte.
    Da schnellte seine Hand wieder vor, diesmal, um sie zu packen, sie zu sich herzuzerren. Sein Griff war schmerzhaft fest. Bläulich traten Adern auf seinem Handrücken hervor, als er immer verkrampfter zupackte.
    »Du tust mir weh!«
    Sie versuchte nicht, sich loszureißen, das hatte keinen Sinn, sondern führte nur dazu, dass sie seinen Körper noch deutlicher fühlte. Stattdessen versteifte sie sich, versuchte ihn einfach nicht wahrzunehmen, seinen Atem nicht zu fühlen, das Pochen seines Herzens nicht zu hören. Eine Ahnung stieg in ihr auf, ebenso dumm und widersinnig wie absolut: Wen er berührt, der stirbt. Vielleicht nicht auf plötzliche, schmerzhafte Weise. Vielleicht langsam verderbend, so wie ihm selbst die einstmals kindlich gesunde Seele abhandengekommen war.
    Doch ehe diese Ahnung zur Gewissheit wurde, das Grauen überhandnahm, ließ er sie los.
    »Ich habe nie gelernt, eine Frau zu halten«, bekannte er schließlich. »Es hat mich nie danach verlangt.«
    Sie rieb sich ihre schmerzenden Handgelenke, als könnte sie damit jegliche Erinnerung an seine Berührung tilgen.
    »Meine Mutter war schön, aber sie war fett«, fuhr er leise fort. »Ihre Haut war wunderschön weiß, aber schwammig. Sie klebte stets, weil ihr ständig zu heiß war. Nicht nur der Schweiß klebte, auch die duftenden Essenzen, mit denen sie sich einrieb, manchmal brannte es mir in der Nase, wenn ich ihr zu nahe kam. Ich wollte diesen Geruch nicht einatmen. Ich wollte ihr nicht zu nahe kommen. Aber der fette Leib meiner Mutter war viel wuchtiger als meiner. Wie hätte ich ihr entfliehen können, wenn sie sich auf mich legte? Ich hatte das Gefühl, sie würde mich ersticken, ihre nasse, schwere Haut mich einhüllen wie ein Leichentuch, das man – einmal gestorben – niemals wieder loswird. Meine Mutter war eine sinnliche Frau. Sie liebte das Essen, den Wein, den Tanz, die Musik. Sie liebte meinen Vater, und vor allem liebte sie seinen Leib. Nachdem er verschwunden

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