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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Schläfen gepresst, hielt damit den Kopf gestützt, und als er kurz hochblickte, gewahrte sie, dass auch seine Augen gerötet waren.
    Caterina blieb abwartend stehen. Er sagte nichts, lud sie auch nicht mit einer Geste zum Näherkommen ein, sondern senkte rasch wieder seinen Blick. Sie folgte diesem, sah den Kelch Wein vor ihm stehen. Nie hatte sie selbst Wein geschmeckt, einst nur Rays säuerlichen Atem gerochen, wenn er zu viel davon getrunken hatte. Es hatte sie immer angewidert. Heute hingegen dachte sie zum ersten Mal, was es für ein Labsal wäre, etwas Starkes zu schmecken, egal ob Saures oder Bitteres oder Scharfes.
    »Warum, Gaspare«, setzte sie an. »Warum hast du mir vorhin gedankt, als wir zum Schiff zurückkamen? Du ... du warst es doch, der mich gerettet hat. Und aus diesem Grund steckst du nun in größten Schwierigkeiten, du ...«
    »Willst du davon?«, unterbrach er sie und hob den Kelch, als hätte er ihre vorigen Gedanken erahnt.
    Sie schüttelte den Kopf, nicht ohne Bedauern. »Mein Vater sagte stets, es sei eine Sünde, die Sinne zu betäuben und den Geist zu verwirren.«
    »Ha!«, lachte Gaspare, es klang bitter. »So war meine Mutter nicht. Sie war sehr sinnesfreudig. Sie hat viel gesoffen, vor allem nach dem Tod meines Vaters.«
    Fragend hob Caterina den Blick. Immer hatte er mit Wehmut über Leonora gesprochen, mit Respekt und Sehnsucht – nie so verächtlich. Sie wusste nicht, was dies nun zu bedeuten hatte, aber er blieb ohnehin nicht lange bei diesem Thema.
    »Weißt du«, setzte er an, »es gibt mehr als nur ein Gefängnis in Genua. Genau genommen ist die Stadt seit mehr als drei Jahrzehnten geteilt. Es gibt die Alte Stadt, die Civitas, welche das eigentliche Zentrum ausmacht, und den Burgus, eigentlich nur die Vorstadt, die sich darum herum angesiedelt hatte und schließlich aus allen Nähten platzte, sodass man auch ihr manche Rechte zusprach. All jene Familien, die es im alten Genua zu nichts brachten, spielten sich hier als Mächtige auf. Die Guercis, del Mores, Sardenas. Und die Lomellinis. Letztere waren es, mit denen mein Stiefvater paktierte. Ich ... ich habe es nicht einmal in das Gefängnis der Civitas gebracht. Ich blieb in einem viel erbärmlicheren hängen.«
    Kurz hob er den Blick; die vielen kleinen roten Äderchen in seinen Augen machten den Blick weicher und feuchter. Der säuerliche Geruch nach Wein stieg ihr noch stärker, noch verlockender in die Nase. Gerne wollte sie den Geist verwirren. Gerne ihre Sinne betäuben. Und wenn es eine Sünde wäre ... nun, was zählte es noch?
    Doch sie ergriff den Kelch immer noch nicht, blieb nicht um Gottes willen nüchtern, aber wegen Gaspare. Sie wollte in der Lage sein, seine sonderbare Laune zu deuten, als ihr im Zustand des Rausches ausgeliefert zu sein.
    »Du hast einmal gesagt, dass das Gefängnis nicht das Schlimmste gewesen ist, was dir dein Stiefvater angetan hat. Was hast du damit gemeint?«
    Das Geräusch, das seinen Lippen entfuhr, klang wie ein Ki- chern, aber er antwortete nicht auf ihre Frage, sondern auf eine andere.
    »Du wolltest wissen, warum ich dir dankbar bin?«, setzte er an. »Obwohl ich doch durch Ramóns gemeine Intrige mein Ansehen verliere? O ja, ich bin dir dankbar. Der Tag hat mir meine Augen geöffnet, mir ist so vieles klar geworden ... Du willst also tatsächlich keinen Wein?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Was ist dir klar geworden?«
    Er versenkte die Lippen in dem Kelch. Als er ihn wieder absetzte, glänzten sie bläulich wie so oft.
    »Als man mich endlich aus dem Kerker freiließ, da dachte ich, die Sonne würde mich verbrennen. Ich habe sie acht Jahre nicht gesehen. Acht Jahre! Das kann kein Mensch aushalten, diese gleißenden Strahlen. Ich werde blind, dachte ich. Aber eigentlich war ich schon blind. Im Kerker hatten meine Augen nicht viel zu tun, sie gewöhnten sich daran, faul zu sein. Jetzt mussten sie erst wieder mühsam erlernen, mit der hellen Welt zurechtzukommen. Und meine Haut. Sie lief am ersten Tag so rot an, dass ich meinte, sie würde verbrennen. Erst später lernte ich, sie zu schützen.«
    »Gaspare ...«
    »Lass mich weiterreden! Ich konnte nicht in Genua bleiben, ich konnte nicht nach Pisa gehen; mein Stiefvater hätte mich am gleichen Tag erschlagen. Vielleicht hast du gehört, dass sich ein Freund meines Vaters erbarmte, mich zum Kaufmann machte. Aber eigentlich wollte ich kein Kaufmann sein, verstehst du? Ich wollte nicht handeln, ich wollte töten. Meinen Stiefvater

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