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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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bist«, spottete sie gutmütig. »Aber sonderlich viel scheinst du von dieser Welt nicht zu verstehen. Hast du noch nie Damen aus der Stadt gesehen? Mit Hauben und Mänteln und Pelzen? Und immer tragen sie bestickte Handschuhe und kleine, feine Schuhe, aus einem einzigen Stück Leder gefertigt. Das nenne ich schöne Kleidung!« Ihr Blick wurde sehnsüchtig. »Sie wagen es obendrein, Bänder und Ketten zu tragen, auch wenn das gegen die Ordnung ist. Sie frisieren sich die Brauen, feilen die Nägel, und sie kauen Kräuter, um den Atem frisch zu halten.«
    »Ach Aiglina«, fiel eine der anderen Frauen ihr ins Wort, »kommst ja gar nicht aus dem Schwärmen raus. Solltest nicht ständig den Platz beklagen, den Gott dir auf dieser Erde zugewiesen hat, sondern dich deinem Stand fügen.«
    »Ach, tatsächlich?«, gab Aiglina zurück und klang nun fast ein wenig giftig. »So gefällt es Gott also, wenn die Sonne meine Haut verbrennt und ich bald aussehe wie ein schrumpeliger Apfel?«
    Die anderen lachten.
    »Nun haben wir immer noch nicht geklärt, wer du bist, Mädchen«, sprach eine in Caterinas Richtung. »Willst uns nicht endlich deinen Namen sagen?«
    Caterina zögerte. Sie wagte nicht zu verraten, was ihr und ihrer Familie geschehen war. Doch zugleich wusste sie, dass sie etwas sagen musste, um das Misstrauen der Frauen einzudämmen.
    »Caterina ist mein Name«, setzte sie zögerlich an, »mein Vater ist gestorben, und jetzt bin ich auf der Suche nach dessen Vetter.«
    »So, so«, nickte Aiglina.
    Caterina wich ihrem misstrauischen Blick aus. Unwillkürlich presste sie das kleine Bündel an sich, in dem sich ihr Schatz befand.
    »Vielleicht könnt ihr mir helfen, ihn zu finden«, fügte sie flehend hinzu. »Ich kenne diese Gegend nicht.«
    »Und wie bist du dann hierher geraten?«, fragte Aiglina streng.
    Wieder zögerte Caterina.
    »Nun lass das arme Mädchen in Frieden, Aiglina«, kam ihr da schon eine der anderen Frauen zu Hilfe. »Sieht ja völlig verängstigt aus. Wie heißt er denn, der Vetter deines Vaters?«
    Dankbar lächelte Caterina sie an. »Er heißt Raimon. Raimon de Mont-Poix.«
    Zuerst erwiderte die Frau ihr Lächeln; dann verfinsterte sich ihr Blick. Und schließlich antwortete sie Caterina auf eine Weise, wie diese es weder erwartet hatte noch verstehen konnte.
Corsica, 251 n.Chr.
    Corsica und Sardinien bilden eine der ältesten Provinzen des römischen Reichs und werden nebst den üblichen Magistraten und Praetoren von einem Proconsul verwaltet, der stets für ein fahr berufen wird. Solch ein Amt mag nach Macht und Einfluss klingen, doch für Felix Gaetanus Quintus, der angestrebt hatte, Senator zu werden, war es ein Verlust von beidem, nicht zuletzt, weil es ihn auf eine Insel führte, die schon häufig Ort der Verbannunggewesen war. Und so musste wohl auch Kaiser Decius mehr dem Trachten gefolgt sein, einen Vertrauten des besiegten Vorgängers loszuwerden, als eine unwichtige Provinz gut verwaltet zu wissen.
    Wie verloren ich mich fühlte, als wir die Insel Corsica erreichten, genauer: den Hafen von Aleria. Es hießt, dass jene Stadt, die mehrmals zerstört und mehrmals wiederaufgebaut worden war – unter Sulla, unter Caesar, schließlich unter Augustus –, der einzige Ort auf der Insel sei, wo ein Römer vernünftig leben könnte; außerhalb ihrer Mauern gäbe es nur schroffe Felsen und Barbaren, die von magerer Ernte und der Jagd, vom Fisch und von Ziegen leben und die es den Besatzern seit jeher schwer machten, sie zu beherrschen. Den Göttern sei Dank, waren sie jedoch von eigenen Fehden zu zerrissen, als störender zu sein als ein Stein, der sich in die Sandale zwängt. Einzig der Ort Mariana wurde neben Aleria gänzlich von den Römern kontrolliert, doch dort lebten nur die Truppen selbst, nicht deren Familien wie hier in Aleria.
    Jene Stunde der Ankunft habe ich als farblos in Erinnerung, der Sonne beraubt, die das trübe Meer nicht glänzend und grünlich malte. Ich hatte erreicht, was ich wollte. Auch in der Fremde verzichtete Gaetanus nicht auf kundige Hände, die ihn von den Kopfschmerzen befreien konnten; er hatte mich also wie erhofft mitgenommen. Aber als ich sein Gesicht erblickte, starr wie in Marmor gemeißelt, da fragte ich mich, ob ich meinem Ziel tatsächlich näher gekommen war. Schon jetzt war er von weniger Menschen umgeben als in Rom; er war nichts weiter als Proconsul – ein Amt, kaum mehr als ein Feigenblatt, um aus seiner Vertreibung keinen Skandal erwachsen zu lassen

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