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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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misstrauisch, wiewohl nicht in der Lage, es zu überprüfen. Nie bekundete er, wie lange er sich an das Versprechen halten würde, dass Ray und ihr keine Gewalt geschehe, und sie wagte nicht, danach zu fragen – ebenso wenig wie nach dem Reiseziel oder den Plänen, die er mit ihnen hatte.
    Auch ohne dass Gaspare Worte machte, vermochte sie freilich allein aus den Geschäftsbüchern manches von dem abzulesen, was er trieb. Ungeachtet der Kriege, in die er verwickelt war und die er selbst gegen alles Genuesische führte, schien er viel von der Welt gesehen zu haben oder zumindest Kaufleute zu kennen, die lange, bedrohliche Reisen in fremde Länder unternommen hatten. Von vielen Orten – er nannte sie immer dann, wenn die Herkunft einer Ware deren Wert erhöhte – hatte sie noch nie gehört, und sie klangen so exotisch, dass Caterina sie außerhalb der ihr bekannten Welt vermutete.
    Kreta und Konstantinopel waren darunter, Zypern und Chios,
    Alexandrien und Trapezunt, Caffa und Tabriz. Von dort kamen Tücher, Metalle und Waffen, Gewürze und Seide, Eisen, Kupfer und Zink und vieles mehr.
    Ohne Zweifel musste Gaspare ein reicher Mann sein, wenngleich ihm das nicht sonderlich wichtig zu sein schien. Nie sah sie ein Glänzen in seinen Augen, wenn er über Geld und Besitztümer sprach, nie jene Gier, die sie am Kaufmann Davide gewittert hatte. Was immer ihn angetrieben hatte, Genuesen zu überfallen oder mit Pere von Aragón zu kämpfen – es schien von dem, was er ergattert hatte, nicht befriedigt worden zu sein.
    Er hatte Caterina anfangs gemahnt, keine Fehler zu machen. Doch mit der Zeit dachte sie manchmal, dass es ihm nichts ausmachen würde, wenn sie es täte. Der Unterschied zwischen fünfzig und fünfhundert Sous schien für ihn nichtig, hätte wohl seine reglose Haltung nicht auflockern können, seinen toten Blick nicht beleben.
    An einem Tag dann traf sie ihn erstmals in einer Befindlichkeit an, die sie an ihm nicht kannte. Akil, weiterhin ebenso höflich wie zurückhaltend, hatte versucht, sie darauf einzustimmen: »Er hat offenbar Nachricht aus seiner alten Heimat Pisa erhalten«, wusste er zu berichten, »und irgendetwas daran erzürnt ihn. Eigentlich ist er immer erregt, wenn er etwas aus Pisa erfährt, egal was es ist. Nun, heute eben auch.«
    Es fiel Caterina schwer, sich einen zürnenden Gaspare vorzustellen, einen Gaspare gar, dessen Stimme nicht vom Flüstern verhangen war. Doch als sie mit Akil seine Kajüte betrat, wurde sie tatsächlich Zeugin von lauten, wütenden Worten, die Gaspare mit zweien seiner Vertrauten tauschte – jenen Männern, die auf dem Schiff den Rang des Copatrons einnahmen, wie sie später erfuhr.
    Deren Anblick erschreckte Caterina zutiefst. Ihre Gesichter waren ihr zwar fremd, aber sie konnte sich nicht sicher sein, ob sie nicht doch zum Rudel gehörten, das wie hungrige Wölfe über sie hergefallen war, sodass sie vor Aufregung kaum den Inhalt von Gaspares Tirade verstand. Doch da weder er sie beachtete noch diese beiden Mähner, entspannte sie sich ein wenig und begann genauer zuzuhören. Wahrscheinlich hatte eine der Tauben die Nachricht überbracht, die regelmäßig vom Schiff aus verschiedene Orte anflogen. Caterina hatte zwar nie einen dieser Vögel gesehen, jedoch die Briefe, die oft auf seinem Tisch lagen, von denen freilich keiner je ihn derart erbost hatte wie die Nachricht heute.
    »Ugolino della Gherardesca also!«, zischte er. »Ha! So haben die Pisaner also wieder einen Dummen gefunden, der sie aus der Misere führen soll!«
    Ob seiner Worte zuckten die beiden Männer zusammen – und schienen ihm dann doch nahe genug zu stehen, um ein Widerwort zu wagen.
    »Was spricht dagegen?«, fragte einer. »Gherardesca entstammet dem uralten Maremma-Adel. Er wird ein würdiger Podestà sein – und einen solchen braucht Pisa in diesen schwierigen Zeiten.«
    »Ei, gewiss braucht man den starken Mann!«, sagte Gaspare, ein wenig gemäßigter als vorhin, aber immer noch ungewöhnlich geifernd. »Man wird sich auch gerne von ihm helfen lassen! Doch die Pisaner sind treulos. Brauchen sie ihn morgen nicht mehr, so rotten sie sich zusammen, um ihn zu bekriegen. Ich habe immer schon gemeint, es würde mehr Frieden versprechen, wählte man einen gebürtigen Pisaner für dieses Amt anstelle eines Fremden. Aber natürlich kann man das nicht machen, weil sich die jeweils benachteiligte Familie niemals einem solchen Machthaber fügen würde.«
    Die Männer blickten einander wissend an,

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