Die Tochter des Ketzers
offenbar an Worte wie diese gewöhnt. Dennoch bemerkte der eine erstaunt: »Wenn man dich reden hört, könnte man glauben, du verachtest alle Pisaner! Ich dachte, den Genuesen allein gelte dein Hass?«
Gaspare war vorhin aufgesprungen. Nun ging er zurück zu seinem Stuhl, ließ sich nieder, presste zwar nicht die ganzen Handflächen, jedoch die Fingerspitzen aneinander.
»Ja gewiss«, sagte er finster, »ich hasse die Genuesen. Es war ihr Gefängnis, in dem ich schmoren musste. Aber es wäre nicht so weit gekommen, wenn Pisa zu diesem Zeitpunkt seinen größten Feind längst besiegt gehabt hätte. Es gab eine Zeit, da war Pisa Genua bei weitem überlegen, das hätten sie nutzen sollen – aber was taten sie stattdessen? Die großen pisanischen Familien haben sich untereinander bekriegt! Sie haben sich von der Plattform ihrer Türme aus bekämpft – mit Steinschleudern und Bogenschützen. Hab einst oft erlebt, wie diese Türme zusammenfielen und auf ihren Trümmern die Schwertkämpfer aufeinander losgingen und sich bis zum Tod bekriegten. Ich kann bis heute nicht begreifen, warum diese Gewalt das Eigene treffen muss, nicht das Fremde.«
»Nun, Gherardesca könnte es gelingen, die Pisaner hinter sich zu einen«, meinte einer der Männer. »Er sucht die endgültige Entscheidung um Korsika herbeizuführen.«
»Ja, ja«, murrte Gaspare; es klang beinahe höhnend, in jedem Fall aber tief verbittert, »und wenn’s ihm nicht gelingt, die Insel endgültig den Genuesen abzuluchsen, dann bringen sie ihn um. Und lassen seine Söhne verhungern. Junge Wölfe erschlägt man, bevor sie zu beißen beginnen. Wenn er Glück hat, kann er vielleicht noch fliehen.«
»Und warum erbost dich das derart, Gaspare?«, fragte einer kopfschüttelnd. »Warum regst du dich darüber auf, dass Pisa einen neuen Podestà hat? Ganz gleich, ob er die Stadt zu ihrem Wohle oder ihrem Verderben führt – dir kann es doch gleich sein! Was bindet dich überhaupt an deine alte Heimat? Wie lange warst du nicht mehr dort? Zehn Jahre, fünfzehn Jahre? Ach Gaspare, es ist ein Spaß, genuesische Schiffe zu überfallen und auszurauben ... doch schert’s dich wirklich, was sich in Pisa zuträgt, nun, wo du in Pere von Aragóns Gefolgschaft stehst und er dir ein Lehen auf Malta versprochen hat? Du tust, als wäre diese Nachricht eine persönliche Beleidigung!«
»Das ist es nicht! Es macht mich einfach krank, an Pisa zu denken ... und dass es den Krieg gegen Genua nicht geschlossen und unbeirrt führt. Ich habe meinen Feinden nicht verziehen!«
Wieder blickten die beiden Männer einander an, diesmal nicht wissend, sondern ratlos.
»Aber wer sind deine Feinde?«, fragte einer. »Die Genuesen, die dich in ihrem Kerker schmachten ließen? Die Pisaner, die dich nicht daraus retteten? Die Franzosen, die du für Pere tötest? Oder die Aragóneser rund um Pere, die dir als Ausländer nicht trauen? Du kannst nicht gegen die ganze Welt kämpfen, Gaspare!«
»Kann ich nicht?« Seine Lippen, bläulicher als sonst, erzitterten sachte, ehe sie sich verzogen. Es war nicht gewiss, ob er lächelte.
»Ich weiß, du suchst Abrechnung ...«
»Nicht Abrechnung! Gerechtigkeit! «
»Nun gut, also Gerechtigkeit. Aber wie willst du sie kriegen, wenn ...«
»Halt dein Maul!«
Verärgert schüttelte der Mann den Kopf, drehte sich um, gewahrte jetzt erst Caterina hinter sich stehen. Akil hatte sie wie immer allein gelassen und war selbst verschwunden, während sie starr dem Gespräch zugehört hatte. Nicht alles machte einen Sinn für sie, vor allem die Andeutungen, was Gaspares Vergangenheit betraf, vermochte sie nicht zu deuten – und doch hatte sie gelauscht, nicht nur, um Wissen zu sammeln, sondern auch, um nicht durch eine unbedachte Bewegung die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nun freilich war es trotzdem geschehen. Der Mann, der sie zuerst erblickt hatte, grinste, der zweite, der seinem Blick gefolgt war, tat es ihm gleich.
»Warum so schwere Gedanken, Gaspare!«, meinte er. »Vergnüg dich lieber mit dem Mädchen. Es könnte einem gefallen, wär’s nur anständig gewaschen!«
»Als ob dich das abgehalten hätte«, fiel der andere ihm lachend ins Wort.
»Dich doch genauso wenig!«
»Willst du sie uns eigentlich immer noch vorenthalten? Willst du uns foltern, indem du sie uns nur einmal gibst und danach nie wieder?«
Raues Lachen. Warmer, feuchter Atem. Sie konnte ihn ganz deutlich spüren, wie er näher kam, immer näher, ihr Gesicht traf, ihren Hals. Ihr
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