Die Tochter des Königs
folgte ihrem Blick. Sie schaute halb in die Ferne, wo zwei Frauen mit dem Rücken zu ihnen an einem kleinen Tisch saßen und den Inhalt einer Plastiktüte inspizierten, die von einer Boutique in der Via Condotti stammte. Während sie sich leise lachend unterhielten, brachte ein Kellner ihnen eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser. Rhodri schmunzelte. Die beiden machten also eine Diät. Aber welche
Frau in Rom tat das nicht? Jenseits der beiden sah er in den Sonnenstrahlen, die sich durch die Blätter einiger Zitronenbäume stahlen, schemenhafte Umrisse. War das in der Ecke eine Schattengestalt? Konzentriert beugte Rhodri sich vor.
»Stimmt es?« Cerys starrte ihre Tochter aus kalten Augen an. »Triffst du dich mit dem jungen Römer?«
»So kann man das nicht sagen. Manchmal unterhalten wir uns, mehr nicht. Ich mag ihn, Mama, bitte …«
»Ich verbiete dir, ihn jemals wiederzusehen, Eigon. Hast du mich verstanden? Nie wieder!«
»Aber warum?«
»Wir dürfen nichts tun, das die Aufmerksamkeit des Kaisers auf uns lenkt. Verstehst du denn nicht, wie unsicher unsere Lage hier ist, du dummes Gör! Wir sind für ihn eine Bedrohung.«
»Aber Papa ist doch krank …«
»Vor allem, weil dein Vater krank ist. Verstehst du denn nicht, Eigon, wenn du ein Kind bekommst, ist es das Enkelkind Caradocs, und dann hoffen die Menschen zu Hause vielleicht, dass er zurückkommt und ihnen beisteht. Das würde Nero nie erlauben. Du weißt doch, was mit Leuten passiert, die er als Gefahr empfindet.« Cerys schauderte.
»Aber, Mama, die Menschen in Britannien haben uns vergessen.«
»Nein! Sie warten immer noch, dass dein Vater zurückkehrt.«
Eigon hielt dem unerbittlichen Blick ihrer Mutter einen Moment stand, dann wandte sie den Kopf ab. Es war sinnlos, ihr zu widersprechen. »Du brauchst dir sowieso keine Sorgen zu machen«, sagte sie unglücklich. »Ich treffe
mich nicht mit ihm, wie du es nennst. Julia gefällt ihm viel besser.«
»Das freut mich zu hören.« Cerys erhob sich und zog den Umhang fester um die Schultern. »Wir wollen keine Römer in unserer Familie. Sie sind unsere Feinde, das darfst du nie vergessen!«
Kapitel 20
T itus Marcus Olivinus saß neben seinem Onkel, Senator Caius Marcus Pomponius, auf den Stufen des Dampfbads und führte ein angeregtes Gespräch mit ihm.
»Es war Teil meiner Aufgabe, den Männern zu folgen. Sie stehen im Verdacht, einen Verrat zu planen«, sagte Titus leise. Mit einer Handbewegung grüßte er einen Kollegen, der an ihnen vorbei zu den Bänken auf der anderen Seite des Raums ging. »Wie du weißt, hegt der Kaiser immer größere Bedenken wegen dieser Christen. Sie breiten sich wie Schimmelpilze in den Gassen der Stadt aus.«
Sein Onkel runzelte die Stirn. »Nicht nur dort, Titus. Sogar im Senat und im Heer gibt es Männer, die diesem Glauben folgen. Früher dachten wir, es wären nur Sklaven und Frauen, die zu den Christen gehen, aber jetzt …« Er zuckte mit den Achseln.
»Petrus der Fischer war mit einer großen Gruppe von Leuten bei Pomponia Graecina im Haus«, flüsterte Titus. »Er hat sie getauft.« Er schaute angelegentlich auf seine Zehen, als interessierte ihn die Reaktion seines Onkels gar nicht. »Es waren auch ein paar Leute aus dem Haushalt von Caratacus dem Britannier dort, mit dem Pomponia Graecina sich ja angefreundet hat. Ich habe gehört, dass er seine Krankheit überwunden hat. Petrus hat ihn mit seinen Gebeten
zu diesem Jesus geheilt, und jetzt hat er nichts Besseres zu tun, als Umsturzpläne zu schmieden.«
Caius stieß einen lautlosen Pfiff aus.
»Caratacus’ Tochter ist ein stilles Wasser«, fuhr Titus fort. »Ein unscheinbares Mäuschen, wie meine Informanten sagen.« Insgeheim lächelte er. Unscheinbares Mäuschen waren nicht ganz die Worte, mit denen sie ihm beschrieben worden war. Ganz im Gegenteil, sie galt als klug, temperamentvoll und sehr schön. Und offenbar wurde sie immer sorgsam bewacht, wie er grimmig dachte. Trotz mehrerer Versuche, sie zu entführen, hatte sie sich seinem Zugriff bislang entzogen, was ihren Reiz nur noch steigerte. Aus Ärger darüber und wegen seiner Sorge vor Entdeckung beschäftigte er sich innerlich mehr mit ihr, als ihm guttat. Der Gedanke, ihre Freunde und Familie wegen Umsturzversuchen anzuschwärzen, war ihm erst kürzlich gekommen, und zwar an einem Saufabend mit seinem Freund Marius, der sich länger als üblich hingezogen hatte. »Sie hat sich mit ihren großen, schönen Augen und ihrem lieben,
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