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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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sich. Sie zitterte. Auf den Straßen waren noch viele Menschen unterwegs, Autos bahnten sich vorsichtig einen Weg zwischen den Scharen von Passanten, Musikfetzen aus dem Bistro weiter oben in der engen Straße trieben zu ihr herauf, dazu der Lärm und die Gerüche aus den vielen Lokalen. Jess zitterte, Tränen liefen ihr über die Wangen. Ärgerlich wischte sie sie fort. Der Traum war vorbei, und es gab nichts, was sie tun konnte. Durch die Wohnung hallte das Läuten der Türglocke. Jess drehte sich um und starrte auf die Gegensprechanlage, ihr Herz klopfte wie wild. Nach einer längeren Pause läutete es ein zweites Mal. Jess erstarrte. Hier konnte ihr nichts passieren. Niemand außer Carmella hatte einen Schlüssel zu dieser Wohnung. Trotzdem, der scharfe Klingelton hatte ihr das Gefühl von Sicherheit genommen, jetzt hatte sie wieder Angst. Und sie hatte Kopfschmerzen. Sie brauchte Eigon. Sie wollte Eigons kühlende Hand auf der Stirn spüren, einen Wickel aus grünen Kräutern bekommen, das sanfte Plätschern des Brunnens im Atrium hören, den Frieden der stillen, heilsamen Dunkelheit um sich haben.
     
    »Eigon? Wo bist du? Ich gehe jetzt. Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?« Julia stand neben der Tür, sie hatte ihre beste Stola umgelegt. »Ich habe die Sänfte bestellt, sie können uns auch beide tragen.«
    Lächelnd schüttelte Eigon den Kopf. »Nicht heute. Ich habe eine Patientin. Eine Frau, die verkatert ist.« Sie wandte sich um und schaute auf die würgende Frau, die an der Schläfe einen blauen Fleck hatte.

    Julia schnitt eine Grimasse. »Da bin ich froh, dass nicht ich das bin!« Sie drehte sich um und trat in die Sonne hinaus. Sie schmollte. Eigentlich sollte Flavius sie begleiten, aber im letzten Moment hatte sein Vater ihn angeblich gebraucht. Wütend hatte sie ihm gesagt, er solle trotzdem mitkommen, und er hatte gezögert, hin- und hergerissen zwischen dem Pflichtgefühl seinem Vater gegenüber und seinem Wunsch, sie zu beschützen. Sein Pflichtgefühl hatte gewonnen. »Wart auf mich, Julia! Es dauert nicht lange«, hatte er gerufen, ehe er im Haus verschwand.
    »Von wegen«, hatte einer der Sklaven lachend gesagt. »Aelius hat die Nase voll davon, dass Flavius Euch ständig in diese Geschäfte begleitet. Wenn Ihr auf ihn wartet, könnt Ihr den Ausflug vergessen.«
    Julia hob die Augenbrauen. »Ach wirklich? Dann gehen wir ohne ihn. Ich habe euch dabei, da kann mir nichts passieren. Und ihr wisst ja, wohin wir gehen.« Zum Seidenhändler, dann weiter zu einem ihrer Lieblingssandalengeschäfte und schließlich zu ihrer Tante, wo sie bei einer Karaffe Traubensaft mit ein paar Freundinnen den neuesten Klatsch austauschen würde. Julia stieg in die Sänfte, schloss die Vorhänge vor dem Staub und lehnte sich mit einem wohligen Seufzen in die Kissen zurück. Es war aufregend, zur Abwechslung einmal allein in die Stadt zu gehen. Ein Abenteuer. Wenn sie ganz ehrlich war, ging ihr Flavius’ rehäugige Anbetung allmählich auf die Nerven. Und Pomponia Graecina hatte ihr mehr als einmal gesagt, Julia in ihrem Alter solle eher an eine gute Partie denken als an eine Tändelei mit dem Sohn eines Freigelassenen. Nachdenklich schloss sie die Augen. Sie hatte immer gewusst, dass Flavius auf Dauer nichts für sie war. Aber er war nützlich. Ein willfähriger Begleiter, der ihr keinen Wunsch abschlug. Also gut, das Geld für ihre Geschenke stammte immer von ihr
selbst, aber das bedeutete zumindest, dass sie genau das bekam, was sie wollte. Sie lächelte zufrieden in sich hinein.
    Als die Sänfte plötzlich zum Halt kam, reagierte sie gar nicht, ganz in ihrem Tagtraum gefangen. Doch als die Sänfte mit einem Ruck abgesetzt wurde, setzte sie sich doch auf und öffnete den Vorhang. Zwei leuchtend grüne Augen schauten sie an. Sie gehörten zu einem außerordentlich gut aussehenden jungen Mann. »Seid gegrüßt, Herrin Julia!« Er salutierte. »Mich schickt ein Freund mit der Bitte, Euch zu seinem Haus zu begleiten. Er hat einen Goldschmied, von dem er überzeugt ist, dass er Euren Geschmack trifft.«
    Julia sah das besorgte Gesicht des dienstältesten Sklaven. Sie sah, dass sich die beiden vorderen Sänftenträger einen erschreckten Blick zuwarfen. Dann schaute sie wieder zu dem grünäugigen Gott, der die Sänfte angehalten hatte. »Auf ein Wort von Euch hin kann Eure Sänfte mir folgen.« Er war sehr wohlhabend, wie Julia mit einem Blick auf die Details seiner Kleider feststellte. Die säuberlich

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